Dollar, Gold und Bitcoin
Eine Reportage aus Istanbul: Wie man mit einer kollabierenden Währung lebt, und was Erdogan antreiben könnte.
Bitcoin: 49463$
Gold: 1779$
Willkommen zur 50. Ausgabe von BlingBling!
BlingBling kann derzeit jedem einen Istanbul-Aufenthalt empfehlen, der auf andere Gedanken kommen möchte, und live miterleben will, wie sich Inflation anfühlt. Covid spielt in der Türkei derzeit kaum eine Rolle. Die Infektionszahlen sind niedrig, wahrscheinlich weil der Herbst milder ist als in Deutschland, vielleicht wird auch nicht getestet. Vor allem haben Politik und Leute andere Sorgen. Die türkische Lira fällt und fällt und fällt Mittlerweile bekommt man für Euro 15,5 Lira.
Die Gespräche drehen sich um nichts anderes. Eine Bekannte mit abgeschlossenem Hochschulstudium und mehreren Jahren Berufserfahrung arbeitet als Supply-Chain-Managerin bei einem internationalen Konzern. Vor einem halben Jahr verdiente sie 14000 Lira, damals etwas über 1500 Euro - nicht viel Geld, aber genug für ein angenehmes Leben in Istanbul. Jetzt ist ihr Gehalt auf umgerechnet 900 Euro zusammengeschmolzen. Ihre Schwester, Schulleiterin eines renommierten Gymnasiums, wird nach Dubai ziehen, weil sie dort als Englisch-Lehrerin das Fünffache verdient. Jeder, der kann, versucht einen Job in Europa, den USA oder Dubai zu kriegen, um Devisen zu verdienen.
Denn der Wechselkurs ist nie isoliert von einer Konsumentenpreis-Inflation. Wenn die Lira fällt, müssen türkische Unternehmen mehr für Importe bezahlen (die Türkei importiert wesentlich mehr als sie exportiert). Die Preissteigerungen werden rasch an die Konsumenten weitergegeben. Alles wird teurer. Nur die Löhne halten nicht mit, und so entsteht Armut.
Man könnte jetzt daraus schließen, dass die Leute eben weniger kaufen. Aber das Gegenteil ist der Fall.
Ein BMW-Händler erzählte mir, die Geschäfte laufen großartig. Jeder, der etwas Geld gespart hat, kaufe jetzt noch ein schnelles Auto. Denn was soll er mit 300000 Lira auf der Bank, die ihm unter den Fingern wegschmelzen? Dasselbe gilt für Immobilienpreise. Jetzt schnell billig eine Wohnung in Istanbul kaufen? Fehlanzeige. Der Markt sei völlig leergefegt, bestätigen mir zwei Makler, nur noch überteuerter Schrott übrig.
Das ist ein klassisches Indiz für eine Inflation, die außer Kontrolle gerät: Menschen konsumieren, weil sie wissen, ihr Geld ist morgen weniger wert. Weil sie mehr konsumieren, steigen die Preise und so dreht sich die Spirale immer weiter. Das erinnert an die Weimarer Hyperinflation von 1923.
Und natürlich ist Bitcoin viel populärer als in den meisten Ländern. BlingBling hatte vor einigen Monaten einen eher kritischen Artikel dazu veröffentlicht. Tatsache aber bleibt: Auch wenn viele vor allem mit Shitcoins zocken, die Akzeptanz und Offenheit für alles, was irgendwie Wert schützt, ist eine ganz andere als in Deutschland. Fast jeder Türke unter 40 hat eine App auf seinem Smartphone, um Cryptos zu handeln. Jede Bank bietet Fremdwährungs-Konten und Gold-Investitionen per App an.
Ausgabe 16: Bitcoin in Schwellenländern
Der Anlass für den aktuellen Kursrutsch war übrigens, dass Erdogan mal wieder öffentlich sagte, hohe Zinsen seien die Ursache von hoher Inflation.
Kurze Erklärung für die in der Volkswirtschaftslehre nicht so bewanderten Leser:
Über den Leitzins steuert die Zentralbank die Geldmenge. Erhöht sie die Zinsen, werden Kredite teurer, und damit dem Kreislauf Geld entzogen. Niedrige Zinsen machen Kredite billig, in der Folge kommt mehr Geld in den Wirtschaftskreislauf, was wieder zu Inflation führt. Ergo: Hohe Zinsen => Geringe Inflation / Niedrige Zinsen = Steigende Inflation. Öffentlich das Gegenteil zu behaupten, ist… irre.
Eine Woche später wiederholte Erdogan dann nochmals seine Äußerungen: Niedrige Zinsen würden die Inflation senken. Wieder fiel die Lira um fast zehn Prozent. Das ist so absurd, dass man sich die Frage stellen muss: Warum macht er das? Erdogan ist ein brillanter Stratege - der Hauptgrund, weshalb er noch immer an der Macht ist. Er muss zumindest wissen, was solche Äußerungen auslösen. Erdogan wirkt für westliche Augen und Ohren oft wie osmanischer Trampel mit Größenwahn. Wenn man sich etwas intensiver mit türkischer Politik auseinandersetzt, merkt man aber schnell: Der Mann ist hoch intelligent.
Gut, bei vielen schlauen Machtmenschen greift irgendwann der Cäsarenwahn. Was aber könnte Erdogan antreiben?
Entweder ist er einfach stur und will die Türken um sich scharen, indem er ihnen erzählt: Die Türkei befinde sich in einem Wirtschaftskrieg gegen ausländische Mächte. So etwas zieht bei vielen Türken immer gut, weil es den Gründungsmythos des Landes zitiert. Gleichzeitig hofft er auch weitere Milliarden vom letzten Verbündeten Katar. Aber was, wenn Erdogan tatsächlich etwas weiterdenkt, als man das von ihm vermuten würde?
Im zweiten Teil des Textes geht es um die Motive Erdogans, und wie realistisch eine Währungsreform basierend auf Gold oder sogar Bitcoin ist.
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