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"Bitcoin ist antiautoritär"
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"Bitcoin ist antiautoritär"

Immer öfter wird versucht, Bitcoin als Werkzeug Rechtsradikaler zu framen. Ein Gespräch darüber, wie politisch eine Technologie sein kann, und veränderte politische Koordinaten

Bitcoin: 40829$

Gold: 1894$

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Seit Wochen demonstrieren in Kanada Lastwagen-Fahrer gegen eine Impfpflicht. Die Kampagne erfährt viel internationalen Zuspruch. Eine Spendenaktion auf der Plattform GoFundMe sammelte bis Ende Januar zehn Millionen US-Dollar ein. Dann sperrte ein Gericht in Ottawa die Auszahlung der Gelder an die Trucker. An dessen Stelle trat eine Bitcoin-Funding-Campaign, die wiederum die Regierung zu unterbinden versucht.

Ob man die Ziele der Lastwagenfahrer für richtig oder falsch hält, ist an dieser Stelle nicht wichtig. Das Beispiel des Freedom Convoys aber verdeutlicht zweierlei: Es liegt im Zeitgeist, regierungskritische Proteste als rechts/rechtsextrem/rechtsradikal zu diskreditieren, und immer wieder wird dabei versucht, Bitcoin in diese Ecke zu stellen. Ein Gespräch mit Louisa darüber, ob Bitcoin links oder rechts oder etwas ganz anderes ist:

Louisa, was ist Deine Verbindung zu Bitcoin und zur linken Szene?

Ich habe Kunst studiert und mich dabei intensiv mit Joseph Beuys beschäftigt. Der hatte die Idee, dass Gesellschaft das ultimative Kunstwerk ist und somit jeder Mensch ein Künstler, da Jeder die Macht hat die Welt um sich herum direkt zu beeinflussen. Mir hat diese Idee immer gut gefallen. Als ich dann anfing zu arbeiten, fiel mir auf, dass ich eigentlich für nichts mehr Zeit hatte. Also beschloss ich erstmal zu sparen, aber das wissen wir ja, geht nicht mehr so leicht. Über einen Freund entdeckte ich Bitcoin, und da wurde mir bewusst: Das ist genau das, was Beuys immer sagte: Es geht um direkte Aktion. Bitcoin ist der stille Protest, „the most peaceful revolution“. Bitcoin ist ein Tool, dem Staat Verantwortung zu entziehen, indem man ihm das Geld entzieht.

Warst oder bist Du denn Teil der „linken Szene“?

Bis auf mein Kunststudium, was bestimmt irgendwie links beeinflusst war, nicht. Ich ordne mich selbst weder links noch rechts zu. Diese Definitionen haben auch kaum mehr Aussagekraft.

Darüber sprechen wir gleich noch genauer. Provokative Frage zu Beginn: Ist Bitcoin rechts?

Nein. Bitcoin ist eine Technologie und damit genauso apolitisch wie das Internet. Darauf haben auch die mutmaßlichen Begründer von Bitcoin gebaut, die Cypherpunks. Das war eine Gruppe von Künstlern, Programmieren und Philosophen, die aus den unterschiedlichsten politischen Richtungen kamen. Die Sorge, die alle vereinte, war, dass das Internet zu einer gigantischen Überwachungsmaschine werden könne. Um zu gewährleisten, dass jeder Mensch im Internet frei kommunizieren kann, legten sie ihre politischen Meinungen beiseite. Das einzig Verbindende Element ist die Freiheit.

Tatsächlich gibt es ja immer mehr FUD-Artikel, in denen Bitcoin als rechts bzw. als Tool der Rechten dargestellt wird. Woher kommt dieses Framing?

Dieses Narrativ ist so alt wie das Internet. Wenn jemand versucht, eine Gruppe zu zerschlagen, bezeichnet er sie als Terroristen oder Rechtsradikale, oder bezichtigt sie der Pornographie. Politiker wie Bill Clinton und Joe Biden warfen bereits Anfang der 90er mit solchen Begrifflichkeiten um sich, in dem Versuch die freie Kommunikation im Internet zu regulieren. Die Idee, dass jeder frei kommunizieren kann, gefällt keinem Staat. Tatsache aber ist, dass Bitcoin von allen genutzt wird.

Aber ist das rechte Framing dem Zeitgeist geschuldet?

Vermutlich weil sich die gesamte Gesellschaft nach links verschoben hat. Die Linke ist in den vergangenen 20 Jahren staatsfreundlicher geworden.

Man sieht das auch gut bei den Corona-Protesten. Die Kritik an den Maßnahmen kommt tendenziell von rechts. Ich persönlich finde das verwirrend. Ich habe die allermeiste Zeit meines Lebens links gefühlt und auch so bezeichnet. Linkssein bedeutete antiautoritär zu sein. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. 

Genauso ging es mir auch. Corona hat etwas verschoben. Plötzlich sind es die Rechten, die auf die Straße gehen, und für Freiheit demonstrieren, während die Linken eine Impfpflicht fordern. Man merkt das auch gut im US-amerikanischen Twitter-Space, wo viele tendenziell Rechte für Freiheit einstehen. Ich dachte mir anfangs: Was redet ihr denn da, ihr seid doch Linke! Das ist auch ein Grund, weshalb ich die Klassifizierung zunehmend ablehne. Was mich bewegt, ist das Spektrum „autoritär - antiautoritär“. Und Bitcoin ist definitiv antiautoritär. 

Es gibt ja noch den Aspekt der Verteilungsgerechtigkeit - ein urlinkes Thema. Wo steht Bitcoin da?

Das ist tatsächlich die größte Kritik von Yanis Varoufakis an Bitcoin, der meint, es würde die Ungerechtigkeit noch erhöhen. Wir werden das erst sehen, wenn alle 21 Millionen geschürft worden sind. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir dann eine gleichmäßigere Verteilung des Wohlstands sehen werden. Denn wer immer im Besitz von Bitcoin ist, muss diese ja ausgeben, wenn er etwas konsumieren will. Und so verteilt sich der Besitz nach und nach.

Eine Art Trickle-Down-Effekt: Der Reichtum tropft langsam von denen, die viel haben, nach unten. Man könnte einwenden, dass man die Geschwindigkeit nicht beeinflussen kann, also viele Menschen für längere Zeit in Armut leben…

Klar kann man das im Fiat-System anders schneller lösen. Aber wir wissen ja, wozu das führt: Inflation und einer Bevorzugung derer, die näher am Gelddrucker sind.

Gibt es Ideen, Bitcoin zum Beispiel mit einem unbedingten Grundeinkommen zu verknüpfen?

Vor kurzem gab es einen Twitter-Space unter anderen mit Jack Dorsey zu diesem Thema. Da ging es um die Frage, wie ein UBI (Universal Basic Income) in einem Bitcoin-Standard aussehen würde. Man kam zu dem Schluss, dass man das nicht bräuchte.

Wie sähe das technisch aus? Und warum braucht man es doch nicht?

Weil man eine zentrale Stelle braucht, die dieses Grundeinkommen verteilt. Das widerspricht dem Grundgedanken von Bitcoin. Man muss warten, bis mehr Leute anfangen, tatsächlich ihre Bitcoins auszugeben, sprich damit einen Kaffee zu bezahlen. 

Du hast ja bestimmt noch Kontakte zur „linken / linksradikalen Szene“. Wie reagiert man dort auf Bitcoin?

Das Problem ist, dass man in der linken Szene Geld generell als “Werkzeug des Teufels” sieht. Im Fall von Fiat stimme ich zu. Es baut auf Repression auf. Fiat-Geld wurde immer dazu genutzt, um Kriege zu finanzieren.

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Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzten viele Staaten den Goldstandards „vorübergehend“ aus, um Geld drucken und den Krieg finanzieren zu können.

Es geht sogar schon früher los: Beim Krieg Großbritanniens gegen Napoleon Ende des 18. Jahrhunderts, und auch beim Bürgerkrieg in den USA. Immer wieder wurde die Gesellschaft per Dekret gezwungen, wertloses Papier anzunehmen, um damit Waffen zu kaufen.

Wäre das wirklich besser unter einem Bitcoin-Standard?

Das ist eine sehr komplizierte Frage. Ich bin skeptisch, wenn Nationalstaaten anfangen Bitcoin zu horten, weil ich befürchte, dasselbe Spiel sich wiederholt. Bitcoin wird als Reservewährung genutzt, um IOUs zu verteilen, die vom Staat von der Reservewährung gelöst werden können.

Ein Staat zentralisiert erstmal Bitcoin und gibt dann basierend auf diesen Beständen wieder wertloses Fiat-Geld aus und inflationiert das.

Ähnliches sehen wir in El Salvador, wo die Nutzer nicht im Besitz ihrer Keys sind. Das kann Betrug begünstigen. So hat sich dort zum Beispiel ein zweiter Bitcoin-Preis entwickelt. Es kommt immer zu Problemen, sobald ein großer zentralisierter Spieler dabei ist.

Mehr zum Thema:

Ausgabe 54: Bitcoin, Bukele und große Egos

Ausgabe 12: Ist Bitcoin rechts?

Ausgabe 10: Der Bitcoin-Standard und die Folgen

Das heißt, Du siehst auch jegliche Formen von „State Adoptions“, also Staaten, die Bitcoin kaufen oder es sogar zur offiziellen Währung erklären, kritisch? 

Es widerspricht der Grundidee von Bitcoin. Natürlich gibt es Situationen, in denen Staaten es Individuen erleichtern können durch zum Beispiel steuerliche Anreize, Bitcoin zu nutzen. Prinzipiell aber steht sich das diametral gegenüber. 

Müssten sich traditionelle Linke nicht zumindest für die Tatsache begeistern, dass Bitcoin es Wander- und Gastarbeitern ermöglicht, ohne viel Gebühren Geld nach Hause zu senden?

Es kommt langsam an. Man darf nicht vergessen, dass Geld wie erwähnt in der linken Szene als etwas Böses wahr genommen wird. Die Idee, dass es Menschen mehr Autonomie und Freiheit vor staatlicher Unterdrückung gibt, muss sich erst durchsetzen.

Tatsächlich kommen die Menschen, die sich für Geld interessieren traditionell eher aus dem konservativen, wirtschaftsnahen Spektrum. Das Faszinierende an Bitcoin ist ja auch, dass es gelungen ist, das Thema Geld aus diesen Assoziationen zu lösen.

Auf den frühen Bitcoin-Konferenzen wurden Leute mit Anzug tatsächlich schief angeschaut. Aber schnell wurde klar, dass die dasselbe Ziel haben. Was Bitcoin ermöglicht, ist die Freiheit der Transaktion. Und man kann argumentieren, dass alle anderen Freiheiten ohne die Freiheit der Transaktion nicht viel wert sind. Das sieht man am Beispiel Hong Kong, wo Protestierende Angst hatten mit ihren Bankkarten Zugtickets zu lösen, da sie so strafrechtlich verfolgt werden konnten.

Man sieht das auch gerade bei den Protesten in Kanada. Der Trucker-Konvoy hatte zunächst Spenden auf GoFundme gesammelt. Dann sperrte die Regierung die Auszahlung der Gelder. Und dann kam es zu einer Spendenaktion via Bitcoin.

Daran sieht man auch wieder gut, wie Demonstranten pauschal als Rechte dargestellt werden. Die meisten Demonstranten in Kanada, mit denen ich gesprochen habe, sind keine Impfgegner oder Nazis, sondern Impfpflichtgegner. Leider gibt es jetzt Probleme mit der Ausschüttung der gesammelten Geldes. Aber auch hierfür gibt es Lösungen: Services wie Bitrefill bieten Giftcards oder Gutscheine an, die man an die Trucker weitergeben kann.

Man kann Bitcoin nicht verbieten, aber die Tore zur Fiat-Welt schließen - sprich eine Bank kann den Umtausch in Fiat verweigern. 

Das passiert zum Beispiel, wenn man die Herkunft seiner Bitcoin durch „Coinjoining“ verschleiert hat. Aber die Grundidee bleibt ja: Ich kann Bitcoin mit jedem privat tauschen, mit dem ich möchte. 

Es gibt ja mittlerweile auch Projekte, die versuchen Bitcoin anders zu platzieren. Bei einem bist Du auch mit dabei.

Bei Bitcoinsozial versuchen wir, die positiven Eigenschaften hervorzuheben. Das zielt unter anderem auf den Chaos Computer Club ab, der Bitcoin wegen seines hohen Stromverbrauchs nicht mag. Es stimmt, dass Bitcoin viel Strom verbraucht. Aber das muss man in Relation zu seinem Nutzen und zu anderen Geldsystemen setzen. Auch die des Konsens ist eine linke Idee. Jeder ist frei, das zu tun, was er möchte. Ich kann meine eigene Blockchain forken und Coins Minen - aber wäre mein Netzwerk nicht sicher. So gesehen ist Bitcoin ein soziales Konstrukt. Jeder macht, was er will. Es gibt keine Autorität, die meine Entscheidung beeinflusst, aber nur durch die Gemeinschaft bekomme ich Sicherheit.

Es ist individuell, sozial - aber nicht altruistisch. Die Idee von Bitcoin ist also eher die von Adam Smith: Wenn jeder auf sein eigenes Wohl achtet, ist das auch zum Besten für das Allgemeinwohl.

Genauso funktioniert Altruismus letztendlich. Altruismus ist eigentlich Egoismus. Und man sieht das auch in der Bitcoin-Community: Man trifft auf so viele Menschen, die einem gerne etwas erklären und einem weiterhelfen. Das ist einerseits selbstlos und hilfsbreit, andererseits freut man sich, wenn mehr Leute Bitcoin gut finden und der Kurs steigt.

Bitcoin ist also nicht links oder rechts. Bitcoin ist antiautoriär. Sowohl im linken als auch rechten Lager gibt es Autoritäre und Antiautoritäre. Findest Du, man muss darüber mehr aufklären?

Ich bin zwiegespalten. Manchmal lasse ich mich auf Twitter in die Diskussionen ein, aber grundsätzlich bin ich der Meinung: Das sollen und werden die Leute selbst herausfinden. Ich bin deswegen auch kein Fan von Mass Adoption und Missionierung. Das erinnert mich etwas an den “Eternal September”.

Was ist das?

In den Neunzigern war das Internet noch etwas Besonderes. Und jedes Jahr im September, als neue Studenten an die Universitäten kamen, überfluteten die das Internet und unterbanden jede sinnvolle Debatte. Ich möchte, dass Bitcoin erst zu den Menschen kommt, die es brauchen: Leute in Nigeria, im Libanon oder Palästina. Denen musst Du auch nicht erklären, wofür unzensierbares Geld gut ist. 

Glaubst Du, dass wir mehr solche FUD-Artikel sehen werden, die Bitcoin rechts zu Framen versuchen?

Auf jeden Fall: Man wird es weiter mit Randgruppen in Verbindung zu bringen versuchen: Rechte, Islamisten, Terroristen. Bitcoin ist der größte Feind des Staates seit der Erfindung des Internets. Deswegen wird man alles versuchen es zu diskreditieren. Es wird nur nicht funktionieren. 

Links zum Thema:

Government, Cryptography, and the Right To Privacy

Re: No Digital Coins

Die Vier Reiter der Infocalypse

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