Klimawandel und Wahrheit
Axel Bojanowski ist seit Jahrzehnten Klimajournalist. Jetzt ist sein Buch erschienen, in dem er die Ideengeschichte und Hintergründe der Klimabewegung nachzeichnet
Liebe Abonnenten,
wie man sich zum Phänomen Klimakrisewandel verhält, definiert die soziale Identität. Zweifel, Skepsis und Nachfragen gelten in vielen Krisen schon als Häresie und katapultieren einen ins gesellschaftliche Aus. Das war nicht immer so. Wie konnte aus einer wissenschaftlichen Debatte, also der Frage, wie Daten zu interpretieren sind, ein Glaubensbekenntnis werden?
Axel Bojanowski beschreibt in seinem gerade erschienenen Buch “Was Sie schon immer über das Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten” die Ideengeschichte des Klimawandels. Bojanowski ist schon allein deswegen für viele Aktivisten ein rotes Tuch. Sein Interview auf BlingBling von vor zwei Jahren gehört zu den meist kommentiersten Texten hier.
Was hat dies mit Finanzen, Bitcoin und Geopolitik zu tun, mag man fragen. Tatsächlich aber ist die Frage, welche Energiequelle wir in Zukunft nutzen, essentiell für das Finanzsystem. Und nicht zuletzt geht es auch allgemein um ein in den Medien oft falsch vermitteltes Verständnis von Wissen und Wissenschaft. Was können wir wissen? Wie sicher ist das, was wir für Wahrheit halten? Welche kognitiven Dissonanzen entstehen in uns, wenn wir Unsicherheit ertragen müssen?
Worum geht es in Deinem Buch?
Es handelt davon, wie aus einem Nischenthema der Meteorologie das bestimmende Thema unserer Zeit wurde. Ich habe in den 1990er Jahren Klimaforschung studiert, und konnte miterleben, wie diese Randdisziplin immer politischer und polarisierender wurde. Medien verloren irgendwann den Anschluss daran. Differenzierungen wurden zunehmend ignoriert und Positionen in Gut und Böse eingeteilt. Ich habe in dem Buch versucht zu beschreiben, welche Interessen im Spiel sind.
Das führt dazu, dass Differenzierungen unglaublich riskant geworden sind. Jeder, der sich selbst nicht eindeutig zuordnet, wird in ein Lager einsortiert.
Auch auf unser letztes Interview vor zwei Jahren gab es unglaublich viele Kommentare, Abo-Kündigungen und Neu-Abos. Warum polarisiert dieses Thema so?
Die Emotionalität erstaunt auch mich immer wieder. Das Thema ist identitätsstiftend. Die persönliche Haltung zum Klimawandel definiert die eigene Stellung in der Gesellschaft. Früher war das mal die Frage zum Sozialen oder zur Rüstung - heute ist es das. Das führt dazu, dass Differenzierungen unglaublich riskant geworden sind. Jeder, der sich selbst nicht eindeutig zuordnet, wird in ein Lager einsortiert. Das ist beängstigend. Schließlich geht es um die Umstellung der Industriegesellschaft und die Energieversorgung der Welt. Da wäre kühler Kopf besonders notwendig. Als Journalist hat man doch die Aufgabe, die Dinge differenziert darzustellen.
Du zeigst in Deinem Buch die vielen Netzwerke, Narrative und Gruppen auf, die alle irgendwie mit dem Thema Klima zu tun haben. Was davon hat Dich am meisten überrascht?
Wieviel finanzielle Macht die Klima-Lobby mittlerweile hat. Wir reden da über ein gewaltiges Netzwerk, was maßgeblich von Milliardären aus den USA gestützt wird. Es fächert sich auf in NGOs, Medienorganisationen und Wissenschaftsinstitutionen. Das Geld, das in Kampagnen gesteckt wird, stellt mittlerweile das der fossilen Lobby in den Schatten. Wenn man das ausspricht, aber wird einem sofort vorgeworfen, der Öl-Lobby verfallen zu sein. Macht aber muss allgemein hinterfragt werden, nicht nur die der Öl-Lobby, die ich in meinem Buch übrigens ebenfalls entlarve. Es geht immer auch um politische Interessen: Auch der Klima-Lobby geht es nicht nur um Klimaschutz.
Dein Buch beginnt mit dem Skandal um den Spiegel-Reporter Claas Relotius. Du bist 2019 vom Spiegel weggegangen. Warum?
Die Klimaberichterstattung des Magazins wurde auf Aktivismus umgestellt. Ein Ressort „Klimakrise“ wurde gegründet, jemand vom Greenpeace-Magazin in die Leitung geholt. Es wurde darauf gedrängt, nicht mehr „Klimawandel“, sondern „Klimakrise“ und nicht mehr „Erderwärmung“, sondern „Erderhitzung“ zu schreiben. Die wissenschaftlichen akkuraten Begriffe gerieten ins Hintertreffen. Dabei lässt sich eine Erwärmung von gut einem Grad ja kaum als „Erhitzung“ bezeichnen, und Klimaforscher haben wiederholt darauf hingewiesen, dass der Klimawandel sich nicht als Krise verstehen lässt, weil Krise ein vorübergehendes Ereignis anzeigen würde, der Klimawandel aber für Generationen bleiben wird. Aber das Faktische war in Zeiten der Klimademos seit 2018 nicht mehr vorrangig. In der letzten großen Relotius-Geschichte ging es um den Klimawandel. Relotius schrieb in dem Text, wie Dörfer in Kiribati im Meer versinken. Wenn man sich die Daten anschaut, stellt man jedoch fest, dass der Meeresspiegel dort ziemlich stabil ist, und viele Inseln der Region sogar größer werden, sie sind mit dem steigenden Ozean mitgewachsen. Ich warnte vor dem Artikel, wurde aber ignoriert. Und so ist es oft: Solange Geschichten in das Narrativ der Klimakatastrophe passen, wird nicht mehr geprüft. Es stellte sich dann heraus, dass Relotius anscheinend gar nicht in Kiribati gewesen war. Der Klimakatastrophismus hat viele politische Nutznießer, das Milieu muss hinterfragt werden können.
In den vergangenen Jahren sind in vielen Medien Stellen als „Klima-Reporter“ entstanden…
Der Klimawandel ist ein wichtiges Thema, gut dass sich mehr Journalisten damit befassen wollen. Aber der Klima-Fokus birgt das Risiko, stets das Klima in den Vordergrund zu stellen, obwohl es in Wahrheit immer nur ein untergeordnetes Phänomen ist. Ein Beispiel konnte ich letztens in den ZDF-Nachrichten sehen: Da wurde über Morde an Christen von Islamisten berichtet und als Grund auch der Klimawandel genannt, islamistischer Christenhass aber wurde nicht erwähnt. Das ist verrückt.
Woran liegt dieses Versagen so vieler Medien?
Das habe ich mich oft gefragt: Medienkritiker sind ja meist scharfsinnige Beobachter. Aber bei diesem Thema sind selbst sie oft blind - vielleicht weil sie sich politisch eher links einordnen, und das Klima-Thema von Links vereinnahmt wurde. Das bedeutet auch, dass nur „linke Lösungen“ für das Problem Klimawandel zugelassen werden. Dabei sind marktwirtschaftliche Ansätze gerade in Sachen Klimaschutz oft wesentlich intelligenter.
Der Westend-Verlag hat viele Bücher von Leuten verlegt, die sich gegen den Zeitgeist stellen. War es schwierig, einen Verlag zu finden?
Das war Zufall, weil ich dort einen Kontakt hatte. Aber sicher gibt es große Vorbehalte in Sachen Klima bei vielen Verlagen. Das erlebe ich ja täglich.
Wie sollte man als Laie mit Katastrophen-Meldungen umgehen? Kann man seine eigene Skepsis trainieren und schulen?
Beim Klimawandel ist es so, dass große Risiken mit großen Unsicherheiten einhergehen. Wenn jemand die Unsicherheiten verschweigt, sollte man skeptisch werden. Das deutet daraufhin, dass jemand einen in eine bestimmte Richtung nudgen will. Ein Beispiel sind die „Klima-Kipppunkte“. Für deren bevorstehendes Heraufziehen gibt es keine robusten Indizien. Wissenschaftlich fragliche Extrem-Szenarien, fehlende Kausalrelationen und das Verschweigen von Unsicherheiten sind unseriös. Es gibt aber natürlich viele Wissenschaftler, die seriöse Aufklärung betreiben, denen man zum Beispiel auch auf X folgen kann.
Gibt es eine Instanz, das IPCC oder etwas anderes, dem Du maßgeblich vertraust? Gibt es die eine Autorität?
Der UN-Klimareport ist eine gute Adresse, also der Report selbst. Der besteht aus drei Teilen. Der erste geht über die physikalischen Grundlagen, der sehr gut ist. Anschließend folgt die Zusammenfassung und hier schreiben Politiker mit. Darauf folgt eine Pressemitteilung über die Zusammenfassung, wo stark zugespitzt wird. Bei der damit einhergehenden Pressekonferenz kommentieren dann Wissenschaftler den Report und schließlich kommen die Medien, die den Inhalt nochmals zuspitzen. Da geht es nur noch um Extremszenarien. Wenn der Report von einer möglichen Spanne von „1 bis 5 Grad Erwärmung“ spricht, steht in den Medien „Forscher warnen vor 5-Grad-Erhitzung“ - und unterschlagen, dass dies am unwahrscheinlichsten ist.
“Oft gilt aber, wer differenziert argumentiert, schon als Leugner.”
Du willst als Journalist Debatten abbilden und nicht Stimmung machen. Trotzdem wollen viele Leser einfach mal ein paar Sachen wissen: Wird es wirklich wärmer?
Die Theorie der anthropogenen Erderwärmung ist die bei weitem beste, die wir haben, um das Phänomen steigender Temperaturen von 1,2 Grad in den vergangenen 150 Jahren zu erklären. Es lässt sich nicht endgültig beweisen, aber die Indizien sind deutlich. Alternativ-Theorien sind bei weitem nicht so überzeugend.
Es ist sicher, dass es wärmer wird?
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