Bitcoin, Bukele und große Egos
Mit Nayib Bukele als Präsident ist El Salvador in eine neue Ära eingetreten. Trotzdem gibt es viel Kritik - vor allem an der staatlichen "Chivo"-Wallet. Was davon ist berechtigt?
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Seit dem 7. September ist Bitcoin (neben dem US-Dollar) offizielle Währung in dem mittelamerikanischen Land El Salvador. Geht das gut? BlingBling war vor Ort und hat sich die verschiedenen Facetten des Experiments angesehen. In Teil 3 geht es um den umstrittenen Präsidenten Nayib Bukele und die Probleme mit der staatlichen Chivo-App.
Teil 1 und 2 findest Du hier:
Ausgabe 51: Wie Bitcoin einem Land Hoffnung gibt
Ausgabe 52: Bitcoin für Leute ohne Smartphone?
Nayib Bukele, Präsident von El Salvador, ist einer der beliebtesten Staatsführer der Welt. Er hat die Wahlen in dem kleinen mittelamerikanischen Land 2019 haushoch gewonnen, und seine Zustimmungsrate liegt auch im Jahr Zwei nach der Amtsübernahme bei über 80 Prozent. Das muss man wissen, bevor man den Mann einen „gewählten Diktator“ nennt. Das nämlich tun viele seiner Kritiker.
Ingrid Werth, die in San Salvador die Heinrich-Böll-Stiftung leitet, sitzt in einem Café in der Hauptstadt, ihr Smartphone hat sie im Wagen gelassen, aus Angst abgehört zu werden. Auch Werth gibt zu, dass Bukele aufgrund seiner Beliebtheit die Wahlen haushoch gewonnen hat. Dafür soll es Absprachen mit der Gang der Maras gegeben haben. Wie genau die aussahen, und ob dabei Geld geflossen ist, weiß niemand. El Salvador war lange das Land mit der höchsten Mordrate der Welt. Doch seit dem Amtsantritt Bukeles ist diese rapide gesunken.
Sorgen bereitet vielen Kritikern Bukeles vor allem der Umgang mit der Presse. Gerade erst wurde ein Gesetzentwurf zurückgenommen, der von allen ausländischen Stiftungen verlangt hätte, auf alle Finanztransfers 40 Prozent Steuern zu zahlen. Das hätte faktisch das Aus für viele NGOs bedeutet. Die wiederum finanzieren „Faro“, ein vielfach ausgezeichnetes Journalismus-Projekt. Journalisten, die kritisch berichten, werden immer wieder bedroht oder verhaftet. Zuletzt erging es Mario Gomez so, der hatte die „Chivo-App“ wegen technischer Mängel und engen Verbindungen zu Vertrauten des Präsidenten kritisiert.
Und überhaupt Bukele regiere autoritär, sagen seine Kritiker. Politik mache der hauptsächlich auf Twitter: Das Land hat sechs Millionen Einwohner, und davon folgen 3,3 Millionen Bukeles Tweets. Gesetze würden vom Parlament einfach abgewunken. Andererseits hat der 40-Jährige, dessen Vorfahren Christen aus Palästina waren, eben auch eine bequeme Zwei-Drittel-Mehrheit, mit der sich legal durchregieren lässt.


Viele seiner Kritiker klingen so, als wollen sie dringend etwas Schlechtes finden an jemanden, der erfolgreich und jung ist, und noch dazu ein Wagnis eingegangen ist: Er hat als erstes Staatsoberhaupt Bitcoin zur offiziellen Landeswährung erklärt. Selbst seine Covid-Kampagne ist von bestechender Einfachheit und Klarheit, während sie die Lauterbachs dieser Welt wohl im Dreieck springen lässt:
Was aber stimmt nun? Tatsache ist, dass Bukele einen Hang zum autoritären Führungsstil hat - zumindest für westeuropäische Standards. Im Februar 2020 ließ er Soldaten im Parlament aufmarschieren, um den Verteidigungshaushalt durchzupeitschen. Die obersten Richter des Landes hat er mit Vertrauten ersetzen lassen. Angeblich arbeite im Hintergrund ein „Schattenkabinett“ bestehend aus Experten, die dem Gegenpräsidenten Venezuelas Guaidó nahestehen.


Dieser autoritäre Führungsstil überschattet eben auch die Einführung von Bitcoin als Währung. Die Nutzung von Bitcoin bleibt freiwillig - der US-Dollar ist nach wie vor für die allermeisten Transaktionen verantwortlich. Eine Volksabstimmung oder irgendeine Form von Befragung der Bevölkerung aber gab es nicht.
Aber warum sich beschweren? Mit der Einführung von Bitcoin als offizielle Währung bekam jeder Bürger Bitcoin im Wert von 30 US-Dollar auf eine Wallet - geschenkt. Und wer Geld geschenkt bekommt, wird kaum dagegen protestieren. Dahinter steckt der Staatsfonds, der den Umtausch von US-Dollar in Bitcoin und umgekehrt garantiert. 150 Millionen US-Dollar hat Bukele dafür bereitgestellt. Probleme erkennt man erst bei genauerem Hinsehen.
Denn an die 30 Dollar kommt man nur, wenn man sich die staatliche App „Chivo“ aus sein Smartphone installiert. Da man sich dafür mit Personalausweis registrieren muss, kommt man als Ausländer ohnehin nicht an die App. Das aber widerspricht dem Ursprungsgedanken von Bitcoin fundamental: Transaktionen sind nun nicht mehr anonym. Der Staat liest höchst wahrscheinlich mit.
Es ist nicht so, dass man Chivo nutzen muss. Derzeit sind in El Salvador mehrere im Umlauf. Prinzipiell ist Chivo auch offen, um Bitcoins von anderen Wallets wie „Bitcoin Beach“ oder „Muun“ darauf zu senden. „Man kann Bitcoin auf und von Chivo versenden - und zwar via Onchain oder Lightning. Aber das geht mal besser und mal schlechter“, sagt Jeff Gallas von der Firma Fulmo aus Berlin, die Lightning-Applikationen entwickelt. Er ist für mehrere Wochen in El Salvador unterwegs.
„Das Problem ist nur: Chivo ist eine Black Box. Als Ausländer kann man Chivo eh nicht nutzen. Es ist intransparent, niemand weiß, wer was macht”, so Gallas. “Bei anderen Wallets kann man die Entwicklung beobachten und den Programmieren schreiben, wo die Probleme liegen. Das geht bei Chivo nicht. Bug-Fixing und Lernen ist nicht möglich.“

Auch die Einführung der App umgibt etwas Intransparentes. Denn eigentlich war es ja Jack Mallers, der in der ersten Jahreshälfte 2021 eine App entwickelte, mit der Überweisungen von den USA nach El Salvador kostengünstig möglich wurden. „Strike“ hieß das Projekt.
Davon aber ist heute nicht mehr allzu viel übrig. Aufkleber sieht man noch im Hostel „Las Olas Permanentes“ am Strand von El Zonte, und die Firma unterhält noch ein kleines Büro mit einem halben Dutzend Mitarbeitern in der Hauptstadt. Die Marketing-Chefin reagiert freundlich aber auch distanziert auf den unangemeldeten Besuch: Über die Zukunftspläne von Strike könne man gerne sprechen, aber lieber nicht über die Vergangenheit. Angeblich habe Strike 300 Millionen US-Dollar von der Regierung verlangt, um die App massentauglich zu entwickeln. (Joko von BTC21 hat hier noch etwas mehr recherchiert). Wer aber hinter der Chivo-App steckt - manche munkeln es seien Vertraute/Verwandte von Bukele - weiß man nicht.

Das wiederum passt in das Bild, das der schillernde Präsident nach außen vermittelt: Bukele wirkt wie jemand, der gern ein Rockstar wäre, dem es um Beliebtheit und Aufmerksamkeit geht. Jemand in El Zonte, der mit ihm zur Schule ging, sagt: „Den mochte niemand, aber sein Vater hatte viel Geld. Also schmiss er Riesen-Partys, zu denen natürlich alle gingen. Außerdem ist er ein Kokser.“

Das spricht nicht grundsätzlich gegen Bukeles Politik und das Bitcoin-Experiment. Es zeigt nur, dass Regierungen und große Egos tendenziell Kontrolle ausüben wollen, und das verträgt sich schlecht mit der dezentralen Natur des Netzwerks.
In den vergangenen Jahren haben schon viele Leute versucht, ihr Ego mit Bitcoin zu schmücken: Immer wieder behaupten narzisstische Millionäre, Bitcoin-Botschafter oder sogar Satoshi Nakamoto zu sein. Mit der Idee, eines herrenlosen, dezentralisierten Netzwerks aber verträgt sich das eben schlecht.
In der nächsten Folge geht es um die volkswirtschaftlichen und geopolitischen Aspekte des Experiments in El Salvador.
Ein schönes Wochenende!
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