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Wie Bitcoin einem Land Hoffnung gibt
Seit September ist Bitcoin offizielle Währung in dem mittelamerikanischen Land El Salvador. BlingBling war vor Ort. Teil 1 einer Reportage-Reihe über Hoffnung und Risiken
Bitcoin: 46925$
Willkommen zur 51. Ausgabe von BlingBling!
BlingBling war in den vergangenen Tagen in El Salvador, dem ersten und einzigen Land, wo Bitcoin seit September neben dem Dollar offizielle Währung ist. Die ersten Folgen beschäftigen sich mit den positiven Aspekten der Bitcoin-Adoption, später geht es um die „Dark Side“.
Seitdem der junge Präsident Nayib Bukele Bitcoin zur offiziellen Währung erklärte, ist das Land ein Magnet für Bitcoiner aus der ganzen Welt geworden. Es ist eines der spannendsten Experimente der Finanzgeschichte, das in dem kleinen mittelamerikanischen Land gerade stattfindet. Wenn es klappt, fällt der erste Domino-Stein und löst eine Kettenreaktion aus.
Schon am Flughafen steht der erste „Chivo-Automat“, bei dem man US-Dollar gegen Bitcoin tauschen kann.
Der zweite Heureka-Moment: Wir zahlen bei McDonalds mit Bitcoin: App raus, QR-Code scannen, Zahlung bestätigen, fertig. Die Transaktion dauert mit Lightning wenige Sekunden.

Warum El Salvador? Rund ein Drittel des Bruttosozialprodukts des Landes stammt aus Transferzahlungen. Das heißt, rund zwei von sechs Millionen Salvadorianern arbeiten in den USA, und senden Dollars an ihre Familien in ihrer Heimat. Die Firmen, die diese Transfers übernehmen (z.B. Western Union), kassieren hohe Gebühren von zehn Prozent und mehr dafür. Mit Lightning-Apps können diese Gebühren umgangen werden. Hinzu kommt: 70 Prozent der Salvadorianer haben kein Bankkonto, und sind so vom Finanzkreislauf isoliert. Außerdem hat El Salvador seit 2001 keine eigene Währung mehr. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA war so groß, dass man den Colon abschaffte und den US-Dollar zur offiziellen Währung erklärte. Damit gab man freilich auch Kontrollmöglichkeiten aus der Hand. Wirtschaftlich gesehen ist El Salvador eine Art „Hinterhof der USA“.
Bukele wagte im Sommer ein Experiment: Er erklärte Bitcoin neben dem US-Dollar zur offiziellen Währung des Landes. Damit die Bürger die Währung auch annehmen, bekam jeder die von der Regierung propagierte Wallet-App “Chivo”. Wer sich mit Personalausweis registrierte, erhielt Bitcoin im Wert von 30 US-Dollar. (Hier klingelt bei einigen schon der Privacy-Alarm, um die App und ihren potenziellen Missbrauch wird es in einer der folgenden Ausgaben gehen). Als Tourist kommt man nicht an die Chivo-App, da man dafür Staatsbürger des Landes sein muss. Man kann aber andere Apps wie die „Bitcoin Beach“-App oder „Moon“-App nutzen.
Auf einem Bitcoin-Meeting in der Hauptstadt San Salvador lernen wir Ricardo kennen. Er ist Host des größten italienischen Bitcoin-Podcasts. Ricardo und seine Freundin Laura touren sechs Wochen durch das Land mit dem selbstgesteckten Ziel, ausschließlich Bitcoin zu verwenden. Ihr Projekt ist manchmal etwas mühsam, aber im Großen und Ganzen funktioniert es. „Bisher mussten wir nur einmal ein Abendessen aus Pringles gestalten, weil wir kein Restaurant finden konnten, das Bitcoin annahm.“
Man kann ihrem Experiment hier folgen (sie bloggen auch auf Englisch).

Hintergrund: Bezahlen mit Bitcoin
Wie man Bitcoin für Zahlungen im Alltag nutzen kann, war bis 2017 ein großes Thema. Immer wieder hörte man hier und da von einer Bar oder einer Buchhandlung, die Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptierte. Ab Mitte 2017 aber ebbten solche Nachrichten ab. Warum? Bitcoin hat ein „Skalierungsproblem“. Eine dezentrale Blockchain ist zu langsam, um kleinere Zahlungen wie einen Kaffee schnell und kostengünstig abzuwickeln. Das ist Preis der Sicherheit. Deshalb entspann sich 2015 eine Debatte darüber, die Größe der Blöcke zu erhöhen - damit würde das Netzwerk schneller werden. Größere Blöcke aber schwächen die Rolle der Nodes, was wiederum die Sicherheit des Netzwerks reduziert. Nach langen Debatten setzte sich das Sicherheit-Camp, die “Small Blocker”, durch. Die „Big Blocker“, also jene, die für Skalierbarkeit und damit Alltagstauglichkeit waren, spalteten sich 2017 in Form von „Bitcoin Cash“ ab. Bitcoin blieb sicher, aber hatte weiter Skalierungsprobleme. Um es im Alltag nutzen zu können, dachte man sich eine andere Lösung aus: Das „Lightning-Netzwerk“. Lightning ist eine Art zweite Schicht über der Bitcoin-Blockchain, die schnelle Zahlungen ermöglicht. Diese Innovation erst ermöglichte die Bitcoin-Adoption in El Salvador.
In dem Buch „
The Blocksize War
“ ist diese Geschichte ausführlich erzählt.
Wir treffen Ricardo und Laura wieder am „Bitcoin Beach“, der Keimzelle des Projekts. El Zonte liegt eine Autostunde von der Hauptstadt San Salvador entfernt an der Pazifikküste. Hier siedelten sich vor einigen Jahren Bitcoin-affine Surfer aus den USA an. Einer von ihnen, Mr. Peterson, soll 2018 eine fette anonyme Spende in Bitcoin erhalten haben. Die Auflage: Das Geld in soziale Projekte zu investieren und eine Bitcoin-basierte Ökonomie aufzubauen. Daraus entstand das „Hope-Zentrum“ in El Zonte am Bitcoin Beach.
Dort arbeitet Bryan Flores, ein junger El Salvadorianer. „Wir haben derzeit vier Projekte in benachbarten Gemeinden am Laufen“, sagt er. „Wir geben Englisch-, Surf- und Bitcoin-Kurse.“ Das Hope-Projekt hat derzeit elf Mitarbeiter, die Vollzeit dort arbeiten.

Früher, erzählt Bryan, sei eigentlich jeder nach dem Schulabschluss in die USA zum Geldverdienen gegangen. „Jetzt aber bleiben die Leute da, seit einiger Zeit haben sie Hoffnung, dass sich etwas ändert.“
Haupttreffpunkt in El Zonte ist das “Las Olas Permanentes”, ein Surfer-Hostel. Hier soll Jack Mallers und sein Team die App “Strike” entwickelt haben. Das Startup nahm Kontakt mit der Regierung von Bukele auf und dieser entschied sich dazu, das Experiment zu wagen. Auf der Bitcoin-Konferenz in Miami im Mai dieses Jahres kam es zu einer etwas pathetischen Ankündigung Mallers: Bitcoin werde jetzt offizielle Währung des Landes und das Leben von hunderttausenden Menschen erleichtern.
Seitdem sieht man überall im Land Schilder mit einem dicken ‚B‘. Vor allem junge Leute haben sich schnell an die neue Währung gewöhnt. Für sie ist es eine ‚Leap Frog Technology‘ - viele überspringen den Schritt ‚Bankkonto plus Kreditkarte‘ und gehen gleich zum bargeldlosen digitalen Bezahlen mit dem Smartphone über.
Im “Las Olas Permanentes” hängt zwar noch ein Aufkleber von Strike und die Firma unterhält noch immer ein kleines Büro in der Hauptstadt, ansonsten aber ist die App weitgehend verschwunden und wurde durch die staatliche App “Chivo” und andere wie “Bitcoin Beach” ersetzt. Darüber, was es mit Strike und seinem Verschwinden auf sich hat, wird es in einer der folgenden Ausgaben noch gehen.
Der Ausgang des Bitcoin-Experiments in El Salvador ist ungewiss: Viel wird davon abhängen, wie sich der Bitcoin-Kurs entwickelt. Es gibt eine ganze Menge Schattenseiten und Risiken, darüber wird es in den kommenden Ausgaben auch gehen. Das Land gehört zu den ärmsten der Welt, hat Bürgerkrieg, Wirtschaftskrisen und Korruption erlebt. Jetzt aber kommen Leute aus der ganzen Welt hierher, um das Experiment selbst mitzuerleben. Es liegt etwas in der Luft: Hoffnung.
Ein schönes Wochenende!
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