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Wie Deutschland seine Auto-Industrie verlor
... und China durch geschickte Politik führend bei Elektro-Motoren und Batterien wurde.
Es war das erste Mal seit 2019, dass Mitte April wieder Besucher nach Shanghai zur Automesse strömten. Drei Jahre lang waren Reisen nach China aufgrund der strikten Zero-Covid-Politik kaum möglich. Fast ging es zu wie in alten Zeiten: Manager gefolgt von Journalisten bestaunen neue Modelle, und schwärmen von neuen Wachstumsmärkten. Ein Drittel aller PKW weltweit werden in China verkauft, mit steigender Tendenz. Der Unterschied zur Zeit vor der Pandemie: Im Rampenlicht standen nun chinesische Marken mit Elektromotoren: Nio, BYD, Great Wall und Nio.
Als sich der Vorhang der Pandemie lichtete, war China plötzlich an den Konkurrenten Deutschland, den USA und Südkorea vorbeigezogen. Exportierte das Land 2018 noch 600000 Autos ins Ausland, sind es mittlerweile 2,6 Millionen. Nur Japan bringt es auf noch mehr. Im selben Zeitraum verfünffachte sich auch die Produktion von Elektro-Fahrzeugen. Zwar hat Tesla noch immer einen globalen Marktanteil von über 50 Prozent. An zweiter Stelle aber folgt nun schon der chinesische Hersteller SAIC. In China selbst dominiert BYD das Geschäft. Wie kam es zu diesem sagenhaften Aufschwung?
Die deutsche Auto-Industrie galt Jahrzehnte lang als die Visitenkarte des Landes im Ausland. Teure Limousinen made in Germany fuhren auch Staatschefs, die sonst eine protektionistische Wirtschaftspolitik machten. In Deutschland selbst hängen an der Industrie rund 800000 Arbeitsplätze. Man mag die großen Konzerne wie VW unsympathisch finden, neigt aber dazu zu vergessen, dass es vor allem im Süden des Landes hunderte Mittelständler sind, die mit ihren hoch spezialisierten Produkten für die Konzerne einen Großteil der Arbeitsplätze stellen.
Alarm-Stimmung flackerte in der deutschen Autoindustrie immer wieder mal auf, wenn es um China ging. Schließlich, so fürchtete man, könne es ja genauso laufen wie bei den Hochgeschwindigkeitszügen oder der Solar-Industrie: Die erst durch billige Produktionskosten und später von dem gigantischen Konsumenten-Markt angelockten Unternehmen würden ihre Technologie an chinesische Mitbewerber abgeben, und anschließend von diesen ausgestochen werden. Dafür zwang die chinesische Regierung ausländische Unternehmen seit den 1980er Jahren in sogenannte Joint-Ventures mit chinesischen Staatsunternehmen. Alle paar Jahre machte dann ein chinesisches Eigenprojekt (meist üppig ausgestattet mit zuvor bei der westlichen Konkurrenz abgeworbenen Personal) von sich reden. Qoros zum Beispiel kaufte sich die Designer von BMW Mini ein, und kündigte großspurig an, bald auf westlichen Märkten Fuß zu machen. Allein, es klappte nie.
Das feine und komplexe Netz, das sich Autobauer und Zulieferer vor allem in der DACH-Region aufgebaut hatten, ließ sich auch mit großen Anstrengungen und viel staatlichen Subventionen nicht einfach replizieren.
Erst der Elektromotor gab China diese Chance. Und die Ansage kam von ganz oben. Angeblich soll Präsident Xi Jinping 2014 verkündet haben, der Elektromotor sei die einzige Chance, von einem großen Automobilkonsumenten zu einem Produzenten aufzusteigen. Zwischen 2009 und 2022 flossen umgerechnet 29 Milliarden US-Dollar an staatlichen Subventionen in die Branche.
Zeitgleich aber sicherte man sich die Rohstoffe in Afrika und Südamerika, die für die Herstellung der Batterien notwendig sind: Lithium, Nickel, Kobalt. Mit Investitionen entlang der Neuen Seidenstraße/BRI in Häfen und Zugstrecken erleichterte man den Zugriff: Hier am Beispiel von Kobalt und der Demokratischen Republik Kongo.
Am 24. Mai erscheint mein Buch „Die dreckige Seidenstraße - Wie Chinas Wirtschaftspolitik weltweit Staaten und Demokratien untergräbt“. Man kann es hier vorbestellen.
In der Folge begannen die Provinzen mit Subventionen untereinander zu wetteifern, wer schneller ein chinesisches E-Fahrzeug auf den Markt bringen konnte. Wie oft bei staatlichen Subventionen endeten diese an der falschen Stelle, und trieben Blüten: So wurden zwar tausende Autos produziert, der teuerste Teil, die Batterie, die bis zu 40 Prozent der Kosten ausmachen kann, aber weggelassen. Manche der Fahrzeuge fuhren nie. Aber im Großen und Ganzen funktionierte die Strategie.
Ein Grund für die Ansiedlung von Tesla nahe Shanghai 2018 dürfte der erwünschte Wettbewerbsdruck gewesen sein. Die chinesischen Unternehmen sollten durch die Konkurrenz fitter werden und langsam von den Subventionen entwöhnt werden.
Eine Erklärung für den Erfolg der chinesischen Hersteller in den vergangenen drei Jahren sind schlicht die einheimischen Konsumenten, die andere Schwerpunkte beim Autokauf setzen. „.Salopp formuliert: Nicht Freude am Fahren, sondern Unterhaltung im Stau und Konnektivität stehen im Zentrum. Einheimische Autohersteller haben das früher begriffen als westliche Marken“, sagt Georg Stieler von der Unternehmensberatung STM in Shanghai.
Den chinesischen Käufern ist vor allem eine Vernetzung mit der omnipräsenten App WeChat wichtig, ohne die der chinesische Alltag eigentlich nicht mehr zu bewältigen. Hinzu kommt eine digitale Infrastruktur mit digitaler Gesichts- und Nummernschild-Erkennung. Zwar tendieren wir manchmal dazu, die Gefahren des Social-Credit-Systems zu überzeichnen (in den meisten Provinzen sind Pilotprojekte dazu gescheitert), aber die digitale Voll-Überwachung ist im chinesischen Alltag eben auch Realität.
In den Ballungsräumen existiert mittlerweile eine entsprechende Ladeinfrastruktur. „Sowohl was den Anschaffungspreis als auch die Betriebskosten angeht, ist elektrisch fahren in China günstiger als Autos mit Verbrennungsmotor“, sagt Stieler. Aufgrund des starken Verdrängungsdrucks drängen die chinesischen Autohersteller jetzt auch auf andere Märkte, etwa nach Europa.“
Hinzu kommt, dass China mittlerweile auch führend bei der Herstellung von Batterien ist. E-Auto-Hersteller BYD ist zusammen mit CATL auch führend in diesem Markt. Während das für die Batterien notwendige Lithium zwar überwiegend aus Südamerika kommt (wo Chile gerade die Lithium-Produktion verstaatlicht hat), besitzt China die größten Kapazitäten, das Material zu verarbeiten, und bei Lithium-Ionen-Batterien einen Marktanteil von 80 Prozent. „Niemand will den Abbau und Produktion von Metallen und seltenen Erden vor Ort haben“, sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Singapur. „Nur in den USA ist man langsam aufgewacht und baut diese wieder auf.“
Auch wenn es oft ein Thema rechtspopulistischer Kreise ist, und im Juste Milieu der Grünen nicht gern angesprochen wird, muss man einmal auf die Absurdität dieser Entwicklung hinweisen:
Zuerst verlagert man den umweltschädlichen Abbau von Seltenen Erden und anderen Metallen nach China, weil man den Dreck nicht im eigenen Land haben will. Man sieht zu, wie ein autoritäres System die Lieferketten dominiert, die für die Energiewende notwendig sind. Und anschließend verbietet man den Verbrenner-Motor (ab 2035) - die Erfindung, um die in gewisser Weise die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten gekreist ist, und beständig die Export-Überschüsse erwirtschaftet hat, die für einen großen Sozialstaat notwendig sind.
“De-Industrialisierung” ist zu einem Kulturkampf-Begriff geworden, aber man kommt bei nüchterner Betrachtung schwer daran vorbei, es als solche zu sehen. De-Industrialisierung bei gleichzeitiger Abhängigkeit von einem autoritären Regime (das in seinen totalitären Ansprüchen im Übrigen wesentlich aggressiver ist als das russische).
Interessant ist auch der Trend einer Verlagerung der ehemals deutschen Großkonzerne nach China. BMW verkaufte im vergangenen Jahre fast 37 Prozent seiner Autos in China, VW knapp 40 Prozent. BASF hat angekündigt die Produktion in Deutschland aufgrund gestiegener Energiekosten herunter zu fahren - und gleichzeitig angekündigt, zehn Milliarden in den Aufbau eines neuen Verbundes in Guangdong, in Südchina zu investieren. VW will eine Milliarde in ein „Innovationszentrum“ in China investieren.
Man kann es auch so sehen: Zuerst ging die Produktion nach China, dann war der Markt in China, und seit ein paar Jahren wird nicht mal mehr in Deutschland geforscht. Das sind dann eben „Chinese Companies with German characteristics“.
Einzige Hoffnung: Dass nicht so heiß gegessen, wie gekocht wird. „Die chinesischen Hersteller sind führend in den billigeren Marktsegmenten, also Auto unterhalb von 200000 Renminbi (ca 25000 Euro).“ Nach wie vor aber dominieren die deutschen Marken das Premium-Segment. Ein anderer Grund, weshalb die chinesischen Hersteller so günstig sein können, sind laxere Sicherheitsvorschriften in China. Zudem zeige der Preiskampf, dass das Marktpotenzial schon an seine Grenzen gestoßen ist“, sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Singapur. „Derzeit ist auch viel Hype im Spiel. Ob die Zukunft wirklich den Elektro-Autos alleine gehört, wird sich noch zeigen.”
Wie Deutschland seine Auto-Industrie verlor
Gute Frage… tatsächlich war der Zeitpunkt für D ungünstig. So oder so aber entwertet man das Netzwerk von Mittelständlern. Vielleicht wäre es am sinnsvollsten gewesen, die Entwicklung dem Markt zu überlassen, anstatt sie mit staatlichen Verboten voranzutreiben
Danke für den guten Artikel. Wäre es für die deutsche Autoindustrie besser gelaufen, wenn wir den Verbrenner nicht protegiert hätten, sondern strategisch früher auf Elektroautos gesetzt hätten?