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J. Paul Getty war seinerzeit einer der reichsten Menschen der Welt. Der Öl-Tycoon verfügte 1966 über ein Vermögen von 1,2 Milliarden US-Dollar, was heute einer Kaufkraft von rund zwölf Milliarden entspricht.
(Getty ist über ein paar Umwege auch in Deutschland bekannt. Sein Enkel, John Paul Getty III., wurde 1973 entführt. Sein Großvater hielt die Entführung für eine Finte und verweigerte die Zahlung - woraufhin seinem Enkel ein Ohr abgeschnitten wurde. Seine Frau war die deutsche Künstlerin Gisela Getty, die wiederum seit ihrer Scheidung zusammen mit Rainer Langhans in einer spirituellen Gemeinschaft in München lebt.)
Getty, 1892 geboren, war für seinen Geiz, Arbeits- und Sexsucht bekannt, mit dem er sein Vermögen aufbaute. Ihm wird der Satz zugeschrieben:
Wenn du der Bank 100 US-Dollar schuldest, dann ist das dein Problem. Wenn du der Bank 100 Millionen schuldest, dann ist es das Problem der Bank.
Ob es wirklich Getty war, der den Satz gesagt hatte, sei dahingestellt. Auf jeden Fall drückt er eine universelle Wahrheit der Finanzwelt und der Beziehung zwischen Schuldnern und Gläubigern aus - womit wie beim Thema der heutigen Ausgabe sind: Tether.
In den vergangenen Jahren ist es etwas still um das vielleicht rätselhafteste Unternehmen der Welt geworden. Tether vermeldete im ersten Quartal 2024 einen Rekordgewinn von 4,5 Milliarden US-Dollar. Das Eigenkapital der Firma, welche nicht mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt, liegt mittlerweile bei 11,37 Milliarden US-Dollar - also ungefähr so viel wie Paul Getty 1966 besaß.
Auch BlingBling hat sich entschlossen, das Thema einmal von einer anderen Seite zu beleuchten. Für Neu-Abonnenten soll hier aber einmal kurz ein Abriss der Problematik gegeben werden.
Tether ist ein Stablecoin-Anbieter. Stablecoins haben einen stabilen Wert. Ein USDT ist zum Beispiel immer einen Dollar wert. Stablecoins sind vor allem für Daytrader nützlich. Will man Bitcoin oder andere Kryptowährungen mehrmals am Tag handeln, kann man oft nicht auf Fiat-Überweisungen warten. Das dauert zu lange. Auch haben Börsen wie Binance keine Banklizenz, sie dürfen also nicht Dollars oder Euro verwahren. Also parkt man sein Geld vorübergehend in Stablecoins.
Wie viele Stablecoins gibt es? Viele. Zuletzt waren das 160 Milliarden US-Dollar, wobei der größte Anteil auf das Unternehmen Tether entfiel. Damit der Wert von Stablecoins stabil bleibt, muss jeder einzelne USDT (Tether) oder USDC (Circle, der zweitgrößte Anbieter) mit einem US-Dollar hinterlegt sein. Und genau hier fangen die Spekulationen an:
Niemand weiß genau, ob Tether wirklich so viele US-Dollar bekommen hat, wie es an Stablecoins ausgegeben hat. Das Ganze lässt sich auch nicht einwandfrei nachweisen. Zwar hat Unternehmen zwar mittlerweile vierteljährliche „Attestations“, bei denen eine externe Firma die Vermögenswerte „attestiert“. Kritiker aber merken an, dass eine Attestation rechtlich eben kein „Audit“, also eine richtige Unternehmensprüfung sei.
Wenn der Verdacht stimmt, dass Tether viel mehr Stablecoins ausgegeben hat, als es je US-Dollar eingenommen hat, stellt das ein Marktrisiko dar. Abgesehen davon, dass sich ein paar Kriminelle die Taschen voll machen, hieße das auch, dass die Nachfrage nach Bitcoin künstlich hochgehalten worden wäre. In den Jahren 2021 bis 2022 hat BlingBling das sehr beschäftigt. Warum jetzt nicht mehr?
Zunächst mal habe ich nach wie vor wenig bis gar kein Vertrauen in das Unternehmen Tether. Beschäftigt man sich mit den Biografien der Verantwortlichen, stellt man fest, dass viele kriminelle Karrieren vor Ihrer Tätigkeit bei Tether hatten. (Hier übrigens ein Porträt von Mit-Gründer Brock Pierce, der mittlerweile ausgestiegen ist, und durch Puerto Rico irrlichtert.) Trotzdem ist Risiko, welches von Tether ausgeht, in den vergangenen Monaten stark gesunken - und zwar aus Gründen, die überraschen dürften:
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