Pleiten, Pech und Bodenbildung
Es gibt Hinweise, dass Bitcoin langsam einen Boden erreicht haben könnte. Oder kommt das Schlimmste erst noch? Ein Überblick
Liebe Abonnenten,
Derzeit mehren sich ja die Anzeichen, dass Bitcoin (und nebenbei viele andere Assets) einen Boden erreicht haben könnten. Ablesen kann man das immer gut daran, wenn Leitmedien darüber schreiben, dass irgendetwas „tot“ sei.
Hier eine kleine Auswahl von an Kontra-Indikatoren:


Und auch das Handelsblatt glaubt, „Bitcoin sei auf dem Weg in die Irrelevanz“.
Normalerweise deuten solche Überschriften auf eine Bodenbildung hin, denn bis die Entwicklungen im Mainstream angekommen sind, ist die Talsohle längst durchschritten. Noch aber ist der Markt nicht völlig bereinigt. Wir werfen deswegen heute einen Blick auf Risiken, die noch weiter bestehen.
Zunächst einmal läuft die FTX-Saga weiter. Diese Woche stellte sich heraus, dass Sam Bankman-Frieds Eltern Immobilien im Wert von 16 Millionen US-Dollar gekauft haben. Die beiden sind Professoren für Rechtswissenschaft und verdienen bestimmt nicht schlecht. Trotzdem reicht ihr Gehalt wohl eher nicht für Immobilien dieser Größenordnung. Woher kam also das Geld? Von Sohnemann Sam, der sich an den Geldern seiner Kunden bedient hatte.


Bis die Machenschaften und Verflechtungen dieses unglaublichen Finanzskandals aufgeklärt sind, dürften noch Wochen und Monate vergehen. Unterdessen sendet der FTX-Skandal Schockwellen durch die Branche.
Grayscale
Beim Bitcoin-Fund Grayscale gibt es anscheinend Probleme. Hier ist die Sache allerdings etwas kompliziert. Der Grayscale Fund, kurz GBTC, war lange Zeit das einzige Vehikel für Investoren, Bitcoin zu kaufen, ohne Bitcoin direkt zu kaufen. Wie bitte? Man kann sich GBTC wie einen ETF vorstellen (um es noch komplizierter zu machen: GBTC ist eben kein ETF. Aber das soll an dieser Stelle egal sein). Man gibt dem Funds Geld, der dafür Bitcoin kauft und Aktienanteile ausgibt. Im Idealfall müsste der Funds also den Kurs von Bitcoin eins zu eins abbilden. Das war eine Zeitlang auch so. Derzeit aber ist der GBTC weitaus tiefer gefallen als Bitcoin. Und viele fragen sich, was es mit dieser Divergenz auf sich hat. In den vergangenen Monaten haben anscheinend Investoren schneller die Aktie verkauft, als der Fonds selbst Bitcoin verkaufen konnte.


Jetzt gibt es drei Möglichkeiten: Entweder GBTC steigt im Wert, oder GBTC verkauft Bitcoin und BTC fällt. Oder aber… Grayscale hat am Ende gar nicht mehr so viele Bitcoin wie angegeben. Dies wäre dann der nächste große Skandal.
Das erscheint derzeit unwahrscheinlich, aber man sollte es im Auge behalten. Ach ja, und die Bitcoins vom Grayscale-Fund sollen bei Coinbase liegen. Die sahen sich diese Woche wohl gezwungen, zu betonen, dass dies auch wirklich so ist. Dem vorausgegangen war ein Tweet von Binance CEO CZ, der daran Zweifel anmeldete.
Genesis
Nicht gut sieht es auch bei Genesis aus. Die Trading-Firma richtet sich vor allem an institutionelle Kunden, und war bereits im Sommer in eine Schieflage geraten, die sich jetzt durch die FTX-Pleite nochmals verschlimmert hat. Es fehlen rund eine Milliarde Dollar…
Sowohl hinter Grayscale als auch hinter Genesis steckt übrigens die Digital Currency Group, der größte Investor in der Crypto-Branche. Die Kollegen von der Dirty Bubble Media haben sich dem Thema ausführlich gewidmet:
Michael Saylor
Der nächste in der Reihe ist der alte Bekannte Michael Saylor. Das Problem an Saylor ist nicht, dass er ein Bitcoin-Fan ist und sein gesamtes Firmen-Vermögen in Bitcoin investiert hat. Das Problem an Saylor ist, dass er dies mit geliehenem Geld getan hat. Eine genaue Beschreibung des Mechanismus gibt es hier in der BlingBling-Ausgabe „Spieler und Helden“
Hier nur kurz: Für einen Kredit benötigt man eine Sicherheitsleistung, auf Englisch Margin. In Saylors Fall sind das Bitcoin. Sinkt Bitcoin unter einen bestimmten Wert, muss Saylor Geld nachschießen („Margin Call“). In dem Fall muss Saylor verkaufen. Wo genau dieser Margin-Schwelle liegt, sagt er nicht. Viele vermuten, sie war bei 21000 US-Dollar…
Tether
Wer BlingBling länger liest, für den ist die Tether-Geschichte nichts Neues. Der Stablecoin, hinter dem ein obskures Unternehmen mit noch obskureren Personen steckt, ist das Schmiermittel für sämtliche Trading-Aktivitäten. Alameda, der Hedgefund von Sam Bankman-Fried, war der größte Kunde von Tether.


Ein neuer Bull-Markt für Bitcoin hängt von vielen Faktoren ab, vor allem ist das Zinsumfeld und die allgemeine Stimmung an den Finanzmärkten. So lange das Kartenhaus aber nicht vollständig zusammengebrochen ist, wird Bitcoin auch nicht nachhaltig im Kurs steigen können. Insofern wäre eine gründliche Marktbereinigung lieber früher als später gut. Aber eines ist auch gewiss: Das nächstes Halving kommt bestimmt.


Ein schönes Wochenende!