"Die Klima-Debatte geht um Gut und Böse"
Der Journalist Axel Bojanowski will, dass wir besser über die Erderwärmung diskutieren. Ein Gespräch über die Hintergründe und Motive der Debatte
Willkommen zu BlingBling!
Axel Bojanowski ist seit 25 Jahren Wissenschaftsjournalist und hat Klimaforschung studiert. Er hat für mehrere deutsche Medien gearbeitet, unter anderem für die SZ, den Spiegel und den Stern. Derzeit ist er Wissenschaftsreporter bei der Tageszeitung DIE WELT. Nebenbei publiziert er seinen eigenen Newsletter „Klimawandel Hintergründe“. Mit BlingBling spricht er darüber, was in der Debatte über die Erderwärmung falsch läuft.
Worum geht es in Deinem Newsletter?
Ich verfolge die Klima-Debatte seit fast 30 Jahren und immer öfter ist mir dabei aufgefallen, wie dabei verschiedene Ebenen miteinander vermischt werden.
An der Oberfläche geht es um Naturwissenschaft. Aber eigentlich geht es meist um Weltanschauungen und politische Auseinandersetzungen. In meinem Newsletter versuche ich das wieder auseinanderzunehmen und aufzuzeigen, um was es hier eigentlich geht.
Du trittst also für eine stärkere Trennung zwischen wissenschaftlichen Ergebnissen und politischen Handlungsanweisungen ein - kannst Du ein Beispiel geben?
Ich habe immer versucht, über naturwissenschaftliche Studien zu berichten und dabei möglichst objektiv und präzise zu sein. Ich musste aber feststellen, dass das kaum jemand interessierte. Es hieß immer, es sei das wichtigste Thema der Welt, aber niemand interessierte sich für die Details. Und mir fiel auf, dass das Thema oft benutzt wurde, um sich politisch zu profilieren. Mit dem Argument „Wir müssen die Schöpfung bewahren“ lassen sich Zielkonflikte übergehen. Gleichzeitig ist wahr, dass der Klimawandel ein sehr großes Problem ist, das die Menschheit lösen muss. Man muss also einerseits die Argumente kennen, aber auch in der Debatte dechiffrieren, wer welche Motive hat. Das geschieht leider nur sehr rudimentär. Wir haben bei der Energiewende gesehen, was passiert, wenn die Probleme nicht benannt werden und nur moralisch argumentiert wird. Die Rechnung dafür müssen jetzt Verbraucher zahlen.
In den Neunzigern war die Debatte stark von Lobbyisten geprägt, die den Klimawandel leugnen. Und auf der anderen Seite des Spektrum stehen Apokalyptiker. Geht es Dir darum, eine Mitte zu finden?
Mitte ist nicht der richtige Begriff. In den Neunzigern haben Erdöl-Konzerne und andere eine Kampagne betrieben, um ihr Geschäftsmodell zu retten. Die wollten suggerieren, das Klimaproblem sei zu vernachlässigen. In den USA waren die ziemlich erfolgreich und haben letztlich dafür gesorgt, dass die USA das Kyoto-Protokoll nicht ratifizierten. In Deutschland war diese Skeptiker-Bewegung eine Randerscheinung. Hier war eher das Gegenteil der Fall. Bei der „Klima-Lobby“ gibt es viele Trittbrettfahrer, die von dem Thema profitieren und sich zum Kämpfer gegen das Böse stilisierten. Das ist ein Kennzeichnen der Klima-Debatte: Sie ist manichäisch, ein Kampf zwischen Licht und Finsternis, Gut und Böse. Je lauter man einstimmt, desto größer der Applaus. Es ist nicht so, dass die Mitte gut wäre. Es geht darum, die Positionen auszuleuchten und zu schauen, wer davon wie profitiert.
Wenn Du “profitieren” sagst, meinst Du handfeste wirtschaftliche Interessen oder eher Aufmerksamkeit?
Beides. Man kann sich mit Klima-Apokalyptik politisch gut profilieren. Das gilt übrigens auch im Journalismus. Wer das Thema moralisch auflädt, bekommt automatisch Journalistenpreise. Man unterstellt der Person, sie würde die Welt besser machen wollen. Allerdings trägt Untergangsbeschwörung kaum zur Lösung von Problemen bei.
Und es gibt auch eine große Industrie hinter dem Klima-Lobbyismus. Mittlerweile ist der Einfluss der Lobby der erneuerbaren Energien wesentlich größer, als es der Einfluss der Erdöl-Lobby jemals war. Dahinter steckt mittlerweile viel mehr Geld, weil finanzstarke Mäzene aus den USA seit Jahren Einfluss nehmen, die gut vernetzt sind. Die wollen die Erneuerbaren als Geschäftszweig aufbauen. Die Strategie geht nicht selten auf Kosten des Klimaschutzes, weil andere klimafreundliche Technologien wie Kernkraft als Konkurrenten bekämpft werden. Diese Lobby hat zudem Interesse daran, dass Thema Klimawandel möglichst apokalyptisch erscheinen zu lassen. Leider finden diese Prozesse hier und da auch in der Forschung statt. Denn auch da sind Aufmerksamkeit und Medienpräsenz eine wichtige Währung. Eine Modellierung, die zu besonders katastrophalen Ergebnissen kommt, hat eine höhere Publikationschance. Man muss aber gleichzeitig festhalten, dass es den Klimawandel und damit verbundene Probleme und Risiken wirklich gibt, das darf bei aller Kritik an den Trittbrettfahrern des Klimaschutzes nicht untergehen.
Derjenige, der differenziert argumentiert, bewegt sich also stets auf dünnem Eis, weil er Gefahr läuft, als unmoralischer Verharmloser zu gelten?
Genau. Zum Beispiel gab es in den Neunzigern in Deutschland einige heftige Stürme. Damals tauchten schnell Leute auf, die sagten, das sei der beginnende Klimawandel. Die Stürme wurden aber nicht heftiger, sie ließen sogar nach. Wer aber damals Zweifel anmeldete, lief Gefahr als „Klimaleugner“ gebrandmarkt zu werden.
Bei all den Dramatisierungen und Verzerrungen geht unter, was der Klimawandel eigentlich ist. Und in der Folge kann man sich nicht drauf vorbereiten.
Viele daran erinnert ja auch an die Corona-Debatte. Auch hier wurde „Wissenschaft“ oft als Sakrileg missverstanden. Wie sollte man Deiner Meinung nach damit umgehen?
Zunächst sollte man sich fragen, was man über eine bestimmte Debatte wirklich weiß. Der UNO-Klimarat stellt ganz gut zusammen, wie der Stand der Klimaforschung ist. Danach kann man abweichende Wissenschaftler befragen und sich erklären lassen, warum sie zu anderen Ergebnissen kommen. Das Problem ist, dass immer die gleichen medien-affinen Wissenschaftler zu Wort kommen. Es ist gut nachgewiesen, dass sie Unsicherheiten und Widersprüche der Klimaforschung übergehen. Wissenschaftler hingegen, die den Klimamodellen weniger vertrauen, kommen in den Medien kaum zu Wort, haben Sozialforscher ermittelt
Ich kenne privat einige Forscher, die sich ganz bewusst nicht öffentlich einmischen in die Debatte, weil differenzierte Darstellungen im Gut-Böse-Diskurs als Böse eingeordnet werden. Es ist leichter, jedes Wetter-Phänomen dem Klimawandel zuzuschreiben und die Leute in die Irre zu führen - dafür gibt es mediale Anerkennung.
Kannst Du einmal konkretisieren: Was wissen wir wirklich sicher über den Klimawandel?
Zunächst einmal: Man kann sich bei komplexen Phänomenen nie wirklich sicher sein. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man immer Probleme. Sehr überzeugend aber ist bisher dargelegt worden, dass menschengemachte Treibhausgase die Erderwärmung beitragen. Das ist höchst wahrscheinlich bis sicher. Die Belege dafür sind sehr gut. Darauf aufbauend ist ziemlich sicher, dass das Eis schmilzt und der Meeresspiegel ansteigt.
Was nun aber schon wieder nicht so sicher ist, wie groß der Anteil des Menschen an diesen Phänomenen ist. Derzeit gibt es eine Debatte über dekadische Klimaschwankungen, die wesentlich vom Pazifik ausgehen. Die lassen sich nicht so leicht von der menschengemachten Erwärmung unterscheiden. Das ist sehr interessant, und in den kommenden zehn Jahren werden wir mehr wissen.
Es kommt mancherorts auch vermehrt zu Starkregen, weil die Luft sich aufheizt und mehr Feuchtigkeit erhalten kann. In manchen Erdgegenden kommt es auch öfter zu Dürre. Ob das in Mitteleuropa auch so ist, ist unklar.
Die aktuelle Dürre mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen, ist nicht trivial. Das ist der UN-Klimabericht sehr differenziert.

Auch tropische Stürme wir Hurrikane haben nicht zugenommen, es gibt nicht mehr davon, eher im Gegenteil. Es gibt aber Hinweise, dass die stärksten Hurrikane noch stärker werden könnten im Zuge der Erwärmung. Es gibt jedoch insgesamt nicht mehr klimawandelbedingte Wetterschäden in den vergangenen Jahrzehnten. Und es gibt dramatisch viel weniger Wetter-Tote. Trotz einer viel höheren Weltbevölkerung, ist das Risiko, an einem Extremwetter zu sterben, massiv zurückgegangen. Grund dafür sind vor allem die enormen Fortschritte in Entwicklungsländern. Gerade diese Schutz-Aspekte werden in der apokalyptisch geprägten Debatte außer Acht gelassen. Übrigens ist das besonders in Deutschland der Fall: Wir sind hier unglaublich schlecht auf Extremwetterlagen vorbereitet. Jede Hitzewelle ist hier ein Problem. Mehr Pragmatismus wäre wichtig, anstatt immer das große Ganze zu beschwören.
Was sind eigentlich spezielle deutsche Kennzeichen der Debatte?
Zunächst einmal gab es hier nie eine starke Klimaskeptiker-Bewegung. Hinzu kommt, dass die romantische und wissenschaftlich schwammige Idee, "die Schöpfung zu bewahren", in deutschsprachigen Ländern traditionell großen kulturellen Anklang findet bei Konservativen, Esoterikern und Umweltfreunden. Die Behauptung, die Welt retten zu wollen, benötigt hierzulande keiner Argumentation, keiner Wissenschaftlichkeit. In Fernseh-Talkshows beschwören karrierebewusste Apokalyptiker den Weltuntergang, und das Land stellt dafür lebenswichtige Themen zurück.
Mehr zum Thema auf BlingBling:
Das klingt nach kultischen Aspekten.
Es geht schon in Richtung Ersatzreligion - gerade, weil in Deutschland Religion kaum mehr eine Rolle spielt, suchen sich viele Menschen entsprechende Rituale. Der Klimawandel bietet beste Voraussetzungen, von der Apokalypse über Schuld, Sünde, Sühne, Askese bis zum Essensfetisch.
Trotzdem sollte man die Erderwärmung nicht auf ein soziologisches Phänomen reduzieren. Das Problem gibt es ja wirklich. Nur vergisst man schnell, dass es Wirtschaftswachstum und Fortschritt sind, die dabei helfen, den Klimawandel in den Griff zu bringen. Die reichsten Länder der Welt können sich Klimaschutz leisten. In Entwicklungsländern muss Kohle und Holz verbrannt werden, um den Energie-Bedarf zu decken. Doch gerade diese pragmatischen Aspekte gehen hierzulande in der Debatte verloren. Hier gilt das Credo: Je weniger CO2 desto glücklicher die Menschheit. Der Klima-Reduktionismus wird der Komplexität aber nicht gerecht. Es geht ja auch darum, den Energieverbrauch der Menschheit zu sichern und rücksichtsvoll umzustellen. In Deutschland aber dreht sich vordergründig alles um umweltpolitische Risikovermeidung: Bei der Atomkraft gibt es ein Restrisiko, also will man keine Atomkraft. Beim Fracking sieht man ausschließlich angebliche Umweltschädigung und lehnt die Erschließung der riesigen heimischen Erdgasreserven deswegen ab. Der Mensch greift aber immer in die Umwelt ein, er muss es auch, um Gesundheit, Ernährung und Prosperität sicherzustellen.
Warum können wir den Energie-Bedarf denn nicht aus regenerativen Energien decken? Was genau ist das Problem?
Ich kann als Journalist nicht sagen: Das geht nie. Ich versuche, Debatten zu ermöglichen. Bisher aber hat noch keine moderne Gesellschaft gezeigt, dass es möglich ist, regenerative Energieträger sind schwankend. Und erstmals in der Geschichte soll auf weniger Energiedichte umgestellt werden - das wirft fundamentale Fragen auf. Zu wenig thematisiert wird außerdem der immense Ressourcen- und Flächenverbrauch von Wind- und Sonnenenergie. Das sind ja keine per se guten Öko-Energien, sondern haben ihre eigene Ambivalenzen.

Vor allem aber braucht man Speicher, um die Grundlast abzudecken. Es wird immer suggeriert, es gäbe Speicher, man müsse sie nur nutzen. Energietechniker dagegen sagen: diese Speicher gibt es nicht. Mir geht es als Journalist darum, den Leuten zu vermitteln, was unterschiedliche Wissenschaftler sagen. Das ist aber kaum geschehen: Hier war und ist stattdessen gern die Rede von guten und bösen Energiequellen. Darauf wird dann auch noch eine Rechts- und Links-Schablone gelegt, was besonders lächerlich ist. Den Leuten werden nicht die Argumente gegeben, diese Debatte vernünftig zu führen.
Es gibt also keine unschuldige Energiequellen, die nicht auch ihren Preis hat.
Schon die Mühle am Bach hat in die Natur eingegriffen. Jeder Versuch des Menschen, Energie zu gewinnen, ist ein Eingriff in die Natur. Das nennt man Kultur. Fossile Energie war dabei besonders nützlich und menschenfreundlich. "Die Natur ist gut, der Mensch ist böse" - dieser Blödsinn sitzt tief in der westlichen Kultur. Es muss immer darum gehen, Menschen Prosperität zu ermöglichen und in Zielkonflikten mit der Natur zu denken. Diese Konflikte anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse zu moderieren, sollte Anspruch des Journalismus sein.
Mehr von Axel Bojanowski gibt es auf Twitter und Substack:

Wenn Dir das Interview gefallen hat, lass 1 Like oder 1 Kommentar da.
Ein sehr angenehmes, reflektiertes und informatives Interview. Es benötigt ein Aufwachen hier, Herr Bojanowski scheint dazu beizutragen. Mehr davon. Wieder mehr freie Meinung, freies Denken und Handeln und nicht blind auf Platitüden abfahren. Schluss mit Tabu und Druck der "Mehrheitsbesserwisser".
Vielen Dank für das Interview und die Vorstellung dieses angenehm reflektierten und kritischen Journalisten.
Leider muss man ihm gerade in dem Punkt zustimmen, dass viele Menschen kein Interesse an einer argumentativen Auseinandersetzung haben, das Gespräch verweigern und sich ebenso verhalten wie ihre Vorfahren, nämlich nur noch Glaubenssätze von sich zu geben.
Alles, was ich in meiner Schulzeit in den siebziger Jahren lernte - kritisch zu bleiben, sich nicht hinter einer Autorität zu verstecken, und sich selbst ein Urteil zu bilden -, das wird gerade mit aller Macht in die Tonne getreten. Allein "das aktuelle Ding" in Frage zu stellen kann schon dazu führen, dass man als "abseitig" angesehen wird (gilt für die Klima- wie die Corona- oder Anti-Trump-Religion).
Ist man dann - im Beruf und in seiner finanziellen Existenz - ABHÄNGIG und nicht frei, dann hat man es schwer, und läuft lieber mit, als dass man stehenbliebe und das Risiko einginge, ausgeschlossen zu werden. Übrigens das ein weiterer Grund, warum die Vermögensbildung in Deutschland grundsätzlich erschwert wird.