Die dunkle Seite der Energiewende
Auf der indonesischen Insel Sulawesi bauen chinesische Unternehmen Nickel und Kobalt für Elektro-Autobatterien ab – zu Besuch in einem tropischen Alptraum
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vor einigen Wochen war ich auf der indonesischen Insel Sulawesi. Indonesien ist zum größten Nickel-Produzenten der Welt aufgestiegen - mit Hilfe chinesischer Unternehmen. China dominiert mittlerweile den Markt für Batterien für Elektro-Fahrzeuge - und für deren Bau ist Nickel notwendig. Die Reportage erzählt viel über die dunkle Seite des vermeintlichen grünen Booms.
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Es ist eine apokalyptische Szene, als tue sich im Paradies die Hölle auf: Eine Frau im rosa Kopftuch stakst umgeben von toxischen Rauchschwaden durch einen Haufen brennenden Müll. Sie lächelt durch eine klaffende Zahnlücke in ihrem Mund. Viel sagt sie nicht über ihre Arbeit, nur dass es früher noch schlimmer gewesen sei. „Da mussten wir noch länger arbeiten, jetzt sind es nur noch acht Stunden am Tag.“ Sie setzt sich neben ein Mädchen mit einer Hasenscharte, das 13 Jahre alt sein soll, aber eher halb so alt wirkt. Als westlicher Besucher möchte man dem Elend ein Ende bereiten, oder zumindest einen Schuldigen finden: Das chinesische Unternehmen zum Beispiel, das nur wenige Meter hinter den beiden Nickel verarbeitet. Doch so einfach ist es nicht in Morowali.
Morowali ist der Name eines Regierungsbezirk auf der indonesischen Insel Sulawesi. Dabei wirkt die Gegend wie ein Straßendorf entlang einer mehrere hundert Kilometer lange Teerstraße, an deren Rändern fast immer Häuser sind, die aber manchmal zu einer Stadt anschwellen. Der Ort liegt an der Ostküste der indonesischen Insel Sulawesi und war bis vor wenigen Jahren das, was man im Englischen „Backwater“ nennt - ein peripheres, wirtschaftlich unwichtiges Hinterland, in dem es außer Fischen, und ein bisschen Muskatnuss nicht viel zu holen gab. Paradiesisch hätte man es nennen können, wenn man die Moskitos, die drückend-feuchte Hitze und die völlig fehlende Infrastruktur ignorierte. Dann kam die Energiewende, die Elektromobilität und die Chinesen.
Denn in Morowali gibt es Nickel. Viel Nickel. Rund 22 Prozent der gesamten global bekannten Vorkommen lagern hier - und das ist notwendig zur Herstellung von Batterien für Elektroautos. Indonesien wurde deswegen schonmal das „Saudi Arabien des Nickel“ (New York Times) genannt. 2013 wurde der Indonesia Morowali Industrial Park, kurz IMIP, gegründet - ein Joint-Venture aus den indonesischen Unternehmen PT Bintangdelapan Investama und PT Sulawesi Mining Investment sowie der chinesischen Shanghai Decent Investment, einer Tochter des Konzerns Tsingshan. Der damalige indonesische Präsident Susilo Bambang Yudhoyono und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping einigten sich auf die Großinvestition: Rund 1,2 Milliarden US-Dollar stellte die China Development Bank bereit, damit chinesische Unternehmen Nickel abbauen können. Dieser Betrag ist um ein Vielfaches gestiegen. Mittlerweile haben sich hier 53 Unternehmen angesiedelt, die Rede ist von 300000 Arbeitern.
Denn zwischen 2009 und 2020 hat das Land den Export von Nickel immer weiter erschwert, um größere Teile der Wertschöpfung im Land zu behalten. In der Folge hat China seinerseits Nickel-Verarbeitungswerke nach Indonesien verlagert. Rund 14 Milliarden US-Dollar hat das Unternehmen Tsingshan in Schmelzhütten vor Ort investiert: In ihnen wird aus dem Nickel-Erz sogenannten Nickel-1 gewonnen, mit dem dann die Batterien für Elektrofahrzeuge hergestellt werden. CATL, größter Batterie-Hersteller der Welt, der auch deutsche Unternehmen wie BMW beliefert, hat über 600 Millionen investiert. Und es geht immer weiter:
„24 Stunden Musik“, sagt Syafaat - wie viele in der Gegend hat er nur einen Namen. Er deutet auf die Baustelle hinter seinem Haus. Früher erzählt er, hätten er und seine Freunde sich hier auf der Veranda getroffen. „Seit die Baustelle da ist, will keiner mehr kommen.“ Nicht weit davon an der Küste sieht man ein Beton- und Stahlgerüst. Türmen ragen hoch in den Himmel, die nachts beleuchtet sind. Das Kraftwerk soll Strom für die Minen und Schmelzhütten schaffen. Betrieben werden soll es mit Kohle. Vor fünf Jahren baute er sich hier ein Haus für seine Frau und seinen Sohn - nichts Spektakuläres, aber komfortabel genug für eine kleine Familie. Es liegt zwischen dem Meer und einer Straße, der einzigen die durch diesen Teil der indonesischen Insel Sulawesi führt. Öffnet man die Haustür, blickt man auf einem zur Hälfte kahl rasierten Hügel. „Das wurde alles in den vergangenen zwei Jahren abgeholzt“, sagt er. „Und es geht weiter.“ Die Dauer-Lärmbelästigung aber ist das geringste Problem von des drahtigen 41-Jährigen und vieler anderer Einwohner des Dorfes.
Syafaat hat einen Rechtsstreit mit der Nickel-Mine am Laufen. Es geht um einen Stall für seine 50 Kühe. Er liegt nicht weit vom Minengelände, wo hektisch LKW auf und ab fahren. Baracken für die Arbeiter reihen sich aneinander. Zum Streitobjekt führt ein kleiner Weg durch Gestrüpp und Palmen. Der hölzerne Freiluft-Stall steht dort seit zwei Jahren. Genutzt hat er ihn nicht, die Minen-Gesellschaft kam dazwischen. Die Kühe, sagt er, laufen jetzt irgendwo auf den ehemaligen Reisfeldern herum. Die Bewässerung für diese wiederum musste aufgegeben werden. Die Nickel-Minen brauchten eine Straße.
Versprochene Entschädigungen, die nie gezahlt wurden, Enteignungen, Rechtsstreits sind an der Tagesordnung in Morowali, dem größten Nickel-Abbaugebiet der Welt. Der daraus entstandene Frust addiert sich zu den gewaltigen Umweltschäden, die der Nickel-Abbau verursacht.
Nickel braucht man zur Herstellung von Stahl und neuerdings vor allem von Batterien, denn diese wiederum sind integraler Bestandteil von Elektro-Fahrzeugen. Für eine Li-Ionen-Batterie sind die Metalle Nickel, Lithium, Kobalt, Grafit und Mangan nötig. Man kann also sagen: Ohne Nickel keine Energiewende. Und weil die Umstellung von Verbrenner-Motoren auf elektrobetriebene Fahrzeuge im Westen beschlossene Sache ist, und China diesen Markt dominieren will, steigt die Nickel-Nachfrage: Die internationale Energiebehörde IEA geht von mindestens einer Verzehnfachung bis ins Jahr 2030 aus. Lag der globale Verbrauch 2018 bei 65000 Tonnen geht man im Jahr 2030 von 925,000 Tonnen aus. Zwar arbeiten Batterie-Hersteller an neuen Natrium-Lionen-Batterien, die mit weniger oder ganz ohne Nickel (und Kobalt, das oft zusammen abgebaut wird) auskommen. „Eine Massenfertigung kommt wenn überhaupt 2025 oder 2026 in Betracht, und dann auch nur für kleinere Fahrzeuge“, sagt Jochen Siebert von der Unternehmensberatung JSC in Singapur. An der global steigenden Nickel-Nachfrage wird sich erstmal also nichts ändern.
Was das bedeutet, kann man in Morowali überall beobachten. Den ganzen Tag über sieht man sie: Junge Männer mit gelben Helmen auf kleinen Motorrädern. Denn irgendwo ist immer gerade Schichtende oder Schichtbeginn. Die Gesichter sind kaum älter als 30 Jahre alt, die Körper zierlich und zäh. Viel zu tun gibt es nach Feierabend nicht in dem islamisch geprägten Ort. Alkohol ist verboten. Die Vergnügungen beschränken sich auf Kaffeetrinken, Handy-Spiele und Besuche von „Massage Spas“ - Bretterbuden-Bordelle, ohne die keine 100 Meter vergehen.
Von den chinesischen Arbeitern bekommt man nichts zu sehen. Wie oft bei solchen globalen Projekten arbeiten und leben die chinesischen Angestellten abgeschirmt von der lokalen Bevölkerung auf einem umzäunten Gelände. Auf dem gibt es chinesische Restaurants, Wäschereien, Karaoke-Bars - und keinen Grund mehr, die Fabrik zu verlassen. Der Morowali-Industrie-Park verfügt zudem über einen eigenen Flughafen. Dröhnende LKW bringen ihre Ladung entweder auf Schiffe oder direkt in die gewaltigen Hüttenwerke: Rotbraune Erde, aus der dann in einem langwierigen Prozess das Nickel-1 gewonnen wird. Dieses wird wieder auf Schiffe verladen und richtig China gebracht. In sogenannten „Mega-Factories“ wird es in Batterien verarbeitet. Auch hier scheint die Volksrepublik uneinholbar in Führung: China verfügt derzeit über 77 Prozent der globalen Kapazitäten zur Herstellung von Batterien. Danach erst folgen weit abgeschlagen Polen, Ungarn, die USA und Deutschland.
„Deutsche Batterienhersteller gibt es eigentlich nicht. Das hat man aufgegeben, weil es zu kapitalintensiv ist“, sagt Berater Siebert aus Singapur. „China dominiert den Markt komplett. Im Falle eines Konflikts in der Taiwan-Straße würden deutsche Autohersteller ziemlich blank dastehen.“
Die Ursprünge dieser Entwicklung liegen weit zurück. Schon in den 1980er Jahren gab Deng Xiaoping die Devise aus „Der Nahe Osten hat Öl, China hat Seltene Erden“. China begann so der größte Produzent von Seltenen Erden zu werden. Gleichzeitig schlossen westliche Staaten ihre Minen wegen der hohen Umweltbelastung. Selten nämlich ist zumindest Nickel nicht, im Gegenteil: In der Erdkruste zählt es zu den am fünft häufigst vorkommenden Metallen. Das Problem ist nur: Nickel findet man selten alleine, sondern meist mit anderen Stoffen wie Zink, Kobalt, Kupfer, Eisen oder Arsen. Das silbern schimmernde Metall zu filtern und zu verfeinern, ist die eigentliche Herausforderung. Dies geht nur unter massiven Einsatz von Chemikalien und Energie. Die Kraftwerke in Morowali verbrauchen sechs Millionen Tonnen Kohle im Jahr. Und selbst im chinesischen Staatskapitalismus wird der Preis in Form von Umweltschäden langsam zu hoch.
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