"Der Immobilien-Markt wird für alle schwierig"
Die Zinsen steigen länger und stärker als erwartet. Das spüren nicht nur Aktien-Besitzer und Bitcoin-Fans, sondern auch auch Eigentümer von Immobilien. Kommt der große Crash noch?
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Christof Schürmann ist Senior Analyst beim Flossbach von Storch Research Institute und veröffentlicht dort regelmäßig Artikel über makroökonomische Entwicklungen. Mit BlingBling spricht er über Aktien, Immobilien, und wann es wieder aufwärts gehen kann. Das letzte Gespräch mit Christof Schürmann vom vergangenen Juli gibt es hier:
Wir haben das letzte Mal im Juli gesprochen. Damals meintest Du, der große Abverkauf würde wohl noch kommen. Haben wir den Boden jetzt gesehen?
Tatsächlich gab es im September und Oktober auch Abverkäufe bei den großen Werten. Ob es das jetzt im Einzelfall immer gewesen ist, weiß man natürlich nicht. Aber dass die Tiefs jetzt nochmals unterschritten werden, ist eher unwahrscheinlich. Natürlich spielen da viele andere Faktoren eine Rolle, zu aller erst der Krieg in der Ukraine. Insgesamt hat es sich aber von der Unternehmensseite her aufgehellt.
Immer wieder heißt es, dass wir in eine Rezession rutschen, und es bald Gewinnwarnungen hagelt.
Entlassungen werden an der Börse ja immer positiv aufgenommen. Wenn jetzt bei Amazon ein Prozent der Belegschaft entlassen werden, ist das nun nicht so wahnsinnig viel. Oft wurde in den vergangenen Boom-Jahren auch ein Wasserkopf aufgebaut. Zudem ist der Arbeitsmarkt in den USA insgesamt sehr robust. Ob jetzt wirklich eine Rezession im Sinne von zwei Quartalen negativen Wachstums kommt, sei mal dahingestellt. Aber eine Abkühlung ist eingepreist, und viele schauen jetzt auf die Reaktion der Zentralbanken.
Kommt der FED-Pivot denn sicher? Und ist dieser eingepreist?
Wenn man geopolitische Faktoren mal außen vor lässt, dann gibt es tatsächlich die Gefahr, dass der Markt noch in recht weiter Ferne liegende Zinssenkungen schon zu weit eingepreist hat. FED und EZB betonen derzeit ja sehr stark, dass die Zinsen länger hoch bleiben können und man eine Zinssenkung nicht einpreisen sollte. Ob das jetzt Verbakrobatik ist oder nicht - man sollte nicht darauf wetten, dass die Notenbanken nicht ernst meinen, was sie sagen. Zwar glaube ich auch nicht, dass die FED die Zinsen über die Inflation anheben wird, aber etwas Vorsicht ist angebracht. Die Kernraten bei der Inflation sind nach wie vor hoch. In der Eurozone hatten wir da zuletzt rekordhohe 5,2 Prozent. Lohnforderungen in Deutschland sind teilweise bei 15 Prozent - das ist noch nicht vorbei.
Schichten deswegen jetzt Anleger um auf festverzinsliche Papiere?
Wenn die Inflation bei acht Prozent liegt, und man zwei Prozent Festgeld-Zinsen bekommt, ist das natürlich noch immer negativ. Natürlich sind zwei Prozent Zinsen noch immer besser als null Prozent auf dem Girokonto. Aber im Endeffekt ist der Realzins bei minus sechs oder sieben Prozent - also tiefer als vor zwei Jahren. Das muss man im Blick behalten. Festverzinsliche machen dann Sinn, wenn man das Geld für einen längeren Zeitraum zu höheren Zinsen als auf dem Festgeld anlegen will, und davon ausgeht, dass die Inflation in dieser Zeit sinken wird. Das geht also auch um den Anlagehorizont, und darum, wie alt man ist. Also ist das eine individuelle Entscheidung. Immerhin kann ich ja nominal zumindest wieder Geld vereinnahmen.
Bei unserem letzten Gespräch im Juli hatten wir auch über Gold und Goldminen-Aktien gesprochen. Gold notiert heute gut 100$ höher als damals, Minen-Aktien dagegen eher tiefer. Warum?
Es ist seit Jahren ein Rätsel, und ich habe noch niemanden gefunden, der die Frage beantworten kann. Unter ESG-Kriterien sind Minen natürlich schlecht, und dürfen deswegen in viele Portfolios nicht aufgenommen werden. Andererseits: Die Marktkapitalisierung des Sektors ist so gering, da sollte das nicht viel ausmachen. Auf jeden Fall ist das ein Sektor, der jahrelang vernachlässigt worden ist, und sich Minen und Goldpreis etwas entkoppelt haben.
Der Goldpreis hängt wiederum auch sehr stark an der Zins- und Inflationserwartung. Wenn man in den USA real zwei Prozent mit inflationsgeschützten Anleihen bekommt, ist das natürlich eine Alternative zu Gold. Gold wird erst wieder richtig interessant werden, wenn ein neuer Zinssenkungszyklus beginnt. Ohnehin sollte man nicht vergessen: Gold ist eine Versicherung gegen alle möglichen Ereignisse, und weniger Spekulationsobjekt. Derzeit kaufen viele Notenbanken Gold - es scheint also nach wie vor Sinn zu machen. Zudem in Euro hat Gold auch vor der Inflation geschützt.
Gas- und Ölpreise sind in den vergangenen Monaten wieder gefallen. Sehen wir bald wieder hohe Energiepreise?
Wir reden über Spot-Preise, also nicht das, was der Verbraucher zahlt. Ich zahle derzeit so viel für Energie wie noch nie zuvor. Aber dadurch, dass die Lager gerade gut gefüllt sind, und der Winter mild, ist die Nachfrage eher gering. Es wäre schon eine Überraschung, wenn die Strom- und Gas-Preise nicht dauerhaft höher bleiben. Das Flüssiggas ist ja deutlich teurer als das Gas, das aus der Nordstream-Pipeline kam. Beim Ölpreis ist es komplexer, aber da gibt es nach wie vor einen normalen Markt: Rezessive Tendenzen sind eher eingepreist, mit der Öffnung von China dürfte die Nachfrage wieder steigen.
Was kommt auf dem Immobilienmarkt noch?
Ich kann nicht viel zu Gewerbe-Immobilien sagen, bei Wohnimmobilien würde ich sagen: Kaninchen vor der Schlange. Wir haben einen sehr engen Markt mit einer prinzipiell starken Nachfrage. Die Preise aber sind für die meisten Käufer viel zu hoch. Woher kommt das? Weil die Zinsen so stark gestiegen sind. Vor zwei Jahren bekam man bei solider Bonität eine Finanzierung von 0,4 Prozent. Jetzt sind wir bei vier Prozent - also eine Verzehnfachung. Die Verkäufer aber sind noch nicht bereit, mit den Preisen herunterzugehen. Das sieht man an den Umsätzen - die sind total eingebrochen.
Anders als bei anderen Märkten fallen beim Immobilienmarkt nicht zuerst die Preise, sondern die Zahl der Transaktionen geht zurück?
Ja, der Markt ist eingefroren und jetzt ist die Frage: Gehen die Verkäufer mit den Preisen nach unten, oder quetschen die Käufer doch noch das letzte heraus? Natürlich wird auch viel zu wenig gebaut: Das Ziel von 400000 Wohnungen im Jahr wird bei weitem verfehlt. Letztes Jahr waren es 250000. Projekte werden verschoben, weil die Baupreise so stark gestiegen sind. Hinzu steigt die Nachfrage auch durch die vielen Kriegsflüchtlinge. Wenn also die Verkäufer nicht mit den Preisen heruntergehen, werden die Leute nicht kaufen, und bleiben in ihren Mietwohnungen. Das wiederum führt zu steigenden Mietpreisen. Wer jetzt baut, muss man zwischen 15 und 20 Euro Kaltmiete verlangen, damit es sich lohnt. Die Probleme am Mietmarkt fangen erst jetzt an. Gleichzeitig muss man auch sagen: In einem inflationären Umfeld steigen die Immobilienpreise natürlich tendenziell.
Bei der Immobilienkrise 2010 in den USA wurde ja eine Kettenreaktion ausgelöst: Die Preise fielen, die Besitzer mussten ihre Kredite refinanzieren, konnten sich das nicht mehr leisten, mussten verkaufen, wodurch die Preise noch stärker fielen. Könnte das in Deutschland passieren?
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