Das gute alte Geld
Ein neues Buch über die D-Mark will mit einem Mythos aufräumen. Warum Deutschland zum Export-Weltmeister wurde, und noch immer die zweithöchsten Goldreserven hat - und welche Zukunft der Euro hat.
Vielleicht ist die Verklärung der D-Mark, der Wunsch nach ihrer Rückkehr, aber auch weniger eine Nostalgie, die sich auf die Währung bezieht, sondern vielmehr auf eine rückblickend als glücklich empfundene Zeit. Denn die Nachkriegszeit und die Jahrzehnte bis in die 1980er-Jahre waren in der Bundesrepublik von einem starken Konsens geprägt. Es war die Zeit, als es praktisch allen immer besser ging, als die Unterschiede zwischen Arm und Reich moderat waren, als es nur zwei landesweite Fernsehsender gab, wenige Leitmedien den Diskurs beherrschten und die Politik klare Überzeugungen und Alternativen zur Wahl stellte.
Liebe Abonnenten,
Frank Stocker ist Journalist und Buch-Autor. Leser kennen ihn von seinem Buch über die Inflation von 1923. Das Interview mit ihm kannst Du hier nachlesen.
Jetzt hat er ein neues Buch geschrieben. “Die Deutsche Mark - Wie aus einer Währung ein Mythos wurde” ist vor wenigen Tagen erschienen. Mit BlingBling spricht er über Geldwertstabilität, Inflation und die gute alte Zeit.
Du schilderst in Deinem Buch den harten Kampf, den die Bundesbank mit dem ersten Bundeskanzler Adenauer um ihre Unabhängigkeit focht. Ist diese Unabhängigkeit Voraussetzung für Geldwertstabilität? Kannst Du erklären, wieso?
Es gibt Untersuchungen, die einen klaren Zusammenhang zwischen Unabhängigkeit der Zentralbank und Geldwertstabilität nachweisen. Das heißt nun nicht, dass Geldwertstabilität nicht prinzipiell ohne diese Unabhängigkeit möglich wäre, aber es wäre für die Notenbank deutlich schwieriger. Im Deutschland der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war man geprägt durch zwei Perioden, in denen die Zentralbank von der Regierung abhängig war: Bei der Hyperinflation von 1923, und dann während des Dritten Reichs, als die Notenbank Direktiven der Regierung umsetzte. Deswegen drängten die Männer an der Spitze der neuen Notenbank nach dem Zweiten Weltkrieg stark auf Unabhängigkeit. Adenauer dagegen wollte seine Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler auch in der Geldpolitik durchsetzen.
Er hatte also nicht unbedingt eine andere geldpolitische Auffassung?
Doch, das wohl auch. Als es Ende 1923, nach dem Ende der Hyperinflation, darum ging, das Rheinland weiter finanziell zu unterstützen, forderte er, das notfalls auch wieder auf Pump zu tun, und er sagte: „Das Rheinland muss mehr wert sein als ein oder zwei oder selbst drei neue Währungen“. Seine Prioritäten waren klar politisch.
Eine „harte Währung“ macht ja eigentlich die Exporte im internationalen Vergleich teuer. Wie konnte Deutschland trotzdem „Export-Weltmeister“ werden?
Moment - das gilt nur, wenn die Währungskurse frei sind. Das waren sie ja im Bretton-Woods-System nicht. Alle Währungen im westlichen Geldsystem waren an den US-Dollar gekoppelt und der wiederum an Gold. In diesem festen Wechselkurssystem verbilligten sich die bundesdeutschen Waren im Ausland. Der Druck auf die BRD stieg deswegen von anderen Ländern, die D-Mark aufzuwerten. Das aber wollte Adenauer nie.
Die Bindung des Dollar an Gold zu einem fixen Kurs war dafür die unverrückbare Basis. Doch für Connally stand nicht die Verantwortung für das globale System an erster Stelle. Vielmehr sah er zuerst auf die Interessen der USA. Dies kommt in dem legendär gewordenen Satz Connallys zum Ausdruck, den er bei einem Treffen mit europäischen Amtskollegen sagte: „Der Dollar ist unsere Währung, aber Euer Problem“
Das Exportwunder war also auch durch das fixe Wechselkurssystem ermöglicht?
Es trug auch dazu bei, ja. In der Schweiz und in der BRD waren die Inflationsraten immer niedriger als in den anderen Ländern, und das war gut für deutsche Exporte, weil sich dadurch die deutschen Waren stetig verbilligten.
Die BRD erwirtschaftete in dieser Zeit ständig Exportüberschüsse. Was geschah mit dem Geld? Ist das der Grund, weshalb Deutschland noch immer die zweithöchsten Goldreserven der Welt hat?
Ja, denn Defizite in diesem System mussten mit Gold ausgeglichen werden. Weil die BRD konstante Exportüberschüsse erwirtschaftete, häufte sie zwischen 1949 und 1973 gigantische Goldreserven an. Seitdem ist nichts mehr dazu gekommen.
Wie kam es zum Ende von Bretton Woods 1971 und was bedeutete das für die D-Mark?
Der konkrete Anlass für den Zusammenbruch waren die steigenden Defizite der USA. Das Land gab immer mehr Geld aus, einerseits für Sozialprogramme, andererseits für den Vietnam-Krieg. Das Geld wurde „gedruckt“, wodurch ein Inflationsdruck entstand. Es handelte sich um das klassische Triffin-Dilemma: Von drei Punkten - feste Wechselkurse, freier Kapitalverkehr, unabhängige Geldpolitik - sind immer nur zwei gleichzeitig möglich. Als die Wechselkurse dann freigegeben wurde, werte die D-Mark auch stark auf.
Wären die Wechselkurse früher frei gewesen, hätte es die deutsche Export-Wirtschaft auch schwerer gehabt?
Solche Fragen – was wäre wenn – mögen Historiker immer nicht so gerne. Das Exportwunder war sicherlich durch viele Faktoren begünstigt. Aber man kann sagen, dass feste Wechselkurse dabei halfen.
Die 1970er waren eine Periode, die noch am ehesten der heutigen Situation ähnelt. Du schreibst, die Bundesbank konzentrierte sich erstmals auf die Geldmengensteuerung, um die Inflation zu bekämpfen. Die Zinsen am Geldmarkt stiegen kurzfristig auf bis zu 40 Prozent. Gerade diese Theorie ist heute wieder umstritten. Warum?
Mit einem 7-tägigen kostenlosen Probeabonnement weiterlesen
Abonnieren Sie BlingBling, um diesen Post weiterzulesen und Sie erhalten 7 Tage kostenlosen Zugang zum gesamten Post-Archiv.