1 Tether-Update
Während Coinbase gerade Ärger mit der amerikanischen Börsenaufsicht bekommt, ist es ein kleines bisschen ruhiger um den umstrittenen Stablecoin-Anbieter geworden. Zurecht?
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Willkommen zur 37. Ausgabe von BlingBling!
Einige BlingBling-Leser hassen es, über Tether zu lesen, weil es schlechte Laune macht. BlingBling hält das Thema aber weiterhin für außerordentlich wichtig. Und zumindest sollte man in der Lage sein, sich sein eigenes Bild zu machen. Was also ist in den vergangenen Wochen geschehen? Heute geht es um ein Update und die Ereignisse in den vergangenen Wochen rund um den Stablecoin-Anbieter.
Wer nicht weiß, um was die Tether-Problematik grundsätzlich geht, der sollte besser nochmals die Ausgaben lesen:
Ausgabe 33: Der Anfang vom Ende der Stablecoins
Außerdem habe ich die ganze Geschichte einmal für das Magazin Capital aufgeschrieben, ist aber hinter einer Paywall.
Und schließlich gibt es von Christoph Bergmann vom Bitcoin-Blog hier eine Verteidigung von Tether.
Zunächst hat das Unternehmen Anfang August eine weitere „Attestation“ veröffentlicht, um nachzuweisen, dass Tether wirklich so viele Dollar bekommen hat, wie es an USDT ausgegeben hat. Das ist nach wie vor keine ordentliche Wirtschaftsprüfung. Eine Attestation ist eine beglaubigte Auflistung der Assets einer Firma. Es wird aber nicht nachgeprüft, ob diese wirklich vorhanden sind.
Positiv anzumerken ist: Tether hat die bisher detaillierteste Aufstellung seiner Reserven veröffentlicht.


All das erklärte aber noch nicht, wer die Leute sind, die Tether Geld geben. Das Unternehmen schweigt sowohl über seine Kunden, als auch was hinter den “Commercial Papers" steckt, in denen der Großteil der Reserven angelegt sein sollen.
Das übrigens sehr zu empfehlende, weil kritische und gut informierte, Crypto-Nachrichtenportal Protos fand dann im August folgendes heraus: Die zwei allergrößten Kunden von Tether sind die Trading-Firmen Cumberland und Alameda.
Zumindest an Cumberland ist nichts Ungewöhnliches festzustellen. Die ursprünglich als Mining-Company gegründete Firma gehört mittlerweile zu der Handelsfirma DRW. Auffällig sind nur die gewaltigen Summen. Dazu gleich mehr.
Etwas ominöser sieht es beim zweiten Tether-Kunden „Alameda Research“ aus. CEO von der Trading-Firma Alameda ist Sam Bankman-Fried. Der ist gerade mal 27 Jahre alt, hat einen Abschluss vom MIT in Physik und ist gleichzeitig Boss der Krypto-Börse FTX.
Wer etwas in der Materie drin steckt, dessen Scam-Alarm geht jetzt vielleicht los: Die Verknüpfung von Börse mit einem zweiten Unternehmen erinnert an die Tether-Bitfinex-Connection: Jahrelang bestritten beide Unternehmen etwas miteinander zu tun zu haben, bis die Paradise Papers genau dies bewiesen.
Trotzdem, und das muss man an dieser Stelle nochmals betonen, ist den beiden Unternehmen nichts vorzuwerfen. Weder gegen Alameda Research noch gegen Cumberland liegen irgendwelche Verdachtsfälle vor.
Zur Erinnerung - der Mechanismus funktioniert wie folgt: Ein Kunde, z.B. ein Hedgefund, nennen wir ihn GreatGatsby, will in Bitcoin investieren. Er könnte jetzt zu Coinbase gehen und für 50 Millionen US-Dollar Bitcoin kaufen. Weil er aber gehört hat, dass man über kurzfristiges (Future-)Trading noch viel mehr Geld verdienen kann, kontaktiert GreatGatsby die Trading-Firma Alameda und überweist ihnen 50 Millionen Dollar. Alameda überweist die US-Dollar wieder an Tether und bekommt dafür 50 Millionen USDT, mit denen sie auf den Krypto-Märkten zu handeln beginnt. So weit so gut.
Nur die Menge macht dann doch stutzig:


Eine kurze Erklärung, wie man die Tweets des Bots “Whale Alert” liest: Der erste Tweet besagt, dass am 7. September 500 Millionen USDT zur Börse FTX (die zu Alameda gehört) transferiert wurden. Der zweite Tweet besagt, dass ebenfalls am 7. September eine Milliarde USDT gedruckt wurden (Ziel noch unklar). Diese Bots funktionieren, weil alle Transaktionen auf der Blockchain nachvollziehbar und transparent sind.
Ein kurzer Vergleich, um ein Gefühl für die Menge zu bekommen: Am selben Tag wurde Bitcoin in El Salvador zur offiziellen Währung erklärt. Jeder Bürger bekam Bitcoin im Wert von 30$, weswegen viele dachten, Bitcoin müsse im Preis steigen. El Salvador hat sechs Millionen Einwohner. Wenn wirklich jeder, auch Kinder, Bitcoin im Wert von 30$ erhält, wäre das ein Zuwachs in der Höhe von 180 Millionen USD. Tether hat an diesem Tag per Knopfdruck 1,5 Milliarden USDT geschaffen.
Während also in den vergangenen Wochen das Interesse von Privatkunden an Bitcoin eher gering war, pumpen unbekannte Trader fast täglich dreistellige Millionenbeträge in den Markt.
Im allgemeinen kann man auch feststellen, dass sich die Summe und Geschwindigkeit der Ausgabe von Tether tendenziell erhöhen. Am 7. September wurde auch ein neues Alltime-High von 68 Milliarden erreicht.
Sorry, 68 Milliarden? Das ist schon wieder veraltet, einen Tag später waren 71 Milliarden USDT.
Diese Tatsache, dass sich im Umlauf befindenden USDT immer mehr werden, mag Fragen aufwerfen, beweist aber immer noch nichts. Schließlich könnte der Crypto-Space einfach immer mehr institutionelle Anleger anziehen. Da bei Arbitrage an kleinen Preisschwankungen verdient wird, müssen die Mengen sehr hoch sein, damit die Profite ausreichen. Future-Geschäfte wiederum erfordern ein hohes Kollateral, also eine Sicherheitsleistung.
Nur, warum nutzen solche Kunden dann nicht andere Konkurrenzprodukte wie den (ebenfalls problematischen) Coinbase USDC? Das beweist keine kriminellen Machenschaften, es ist einfach nur… weird.




Ein zweiter Umstand macht stutzig: Wenn Alameda bzw. deren millionenschwere Kunden zum Beispiel gerade mehr Potenzial in Tech-Aktien oder einer Devisen-Arbitrage sehen, müssten sie ihre US-Dollar von Alameda zurückverlangen, die wiederum bei Tether die USDT zurück in Dollar tauschen. “Redemptions” oder auch “burning” heißt das auf Englisch. Solche Redemptions kommen aber so gut wie nie vor. Das ist kein Beweis dafür, dass Tether betrügt. Es ist nur einfach wieder… eigenartig.
Und es trägt gewisse Anzeichen eines Ponzi-Schemes: Immer mehr Geld ist notwendig, um das System am Laufen zu halten.
II. Die China-Connection
Es gibt noch einen anderen Strang der Tether-Saga. Der Verdacht geht auf den anonymen Twitter-Account Bitfinex’ed zurück, der wiederum BlingBling sagte, seine Informationen stammen von einem Whistleblower. Einige Monate bevor der Großteil aller USDT an Alameda und Cumberland gingen, sollen chinesische Milliardäre die Hauptkunden von Tether gewesen sein. In China gelten strikte Kapitalverkehrskontrollen von umgerechnet 50000 Dollar pro Jahr. Die Superreichen sind ständig auf der Suche nach Wegen, ihr Vermögen ins Ausland zu bringen. Einer war bis zum Crypto-Verbot in China im Mai dieses Jahres Tether. Chinesische Milliardäre überwiesen Milliarden chinesische Yuan (CNY) an Tether im Tausch gegen USDT. Damit kauften sie Bitcoin und verkauften sie außerhalb Chinas wieder gegen Dollar oder Euro. Die Firma Tether saß nun auf einem Berg von chinesischen Yuan. Anscheinend hielt man es für eine gute Idee, mit diesen CNY chinesische Junk Bonds zu kaufen, das sind Anleihen mit einer hohen Verzinsung aber ebenso hohen Risiko. Ein Großteil der Schrott-Anleihen soll von Chinas zweitgrößten Immobilienentwickler Evergrande stammen. Was sollte dabei schon schiefgehen? Hm…


Sollte die chinesische Regierung tatsächlich Evergrande pleite gehen lassen, wäre das, glauben viele, “Chinas Lehman-Moment”. Eine Insolvenz könnte im eine Kaskade auslösen, denn Chinas Unternehmensschulden gehören zu den höchsten der Welt.
Sind die ominösen “Commercial Papers”, die Tether in seinen Reserven aufführt also in Wahrheit Junk Bonds von Evergrande? Wir wissen es nicht. Und Tether selbst will sich dazu nicht äußern:

Tether versuchte vergangene Woche, die New Yorker Staatsanwaltschaft daran zu hindern, Auskunft über die Herkunft der Commercial Paper zu geben. Die hatte nämlich Konkurrent Coinbase verlangt.
Um das abschließend nochmals deutlich zu machen: Es gibt keinen ultimativen Beweis dafür, dass Tether betrügt. Es gibt nur eine ganze Menge Fragezeichen. Sie beruhen auf anonymen Twitter-Accounts und Whistleblowern. Auf der anderen Seite sind viele der Vorwürfe schlüssig. Es sieht danach aus, dass hier etwas faul ist. Und zwar gewaltig. Aber man weiß es nicht mit Sicherheit.
Das Tether-Rabbithole ist komplex, und BlingBling hofft, ein bisschen mehr zur Verständnis der Problematik beizutragen zu können.
Sunlight is the best disinfectant…
Ein schönes Wochenende!
PS: Ach ja, und dann gibt es noch eine creepy Connection von Tether-Boss Stuart Hoegner zum toten Pädophilen Jeffrey Epstein. Darüber mehr in einer anderen Ausgabe:
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