Wo der Westen gewinnt
Während China und Russland sich die Rohstoffe des 20. Jahrhunderts sichern, erhöht sich der westliche Vorsprung bei modernsten Chips immer weiter
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„Die Globalisierung ist tot“, sagte Morris Chang - zumindest was die Halbleiter-Branche betrifft.
Chang wird auf der Insel Taiwan wie ein Nationalheld verehrt, und seine Worte haben Gewicht. Nachdem er sich der mittlerweile 91-Jährige von seiner aktiven Rolle verabschiedet hat, ist eine Art Botschafter für die Insel und ihre Chip-Industrie. Auf einer Podiums-Diskussion schmeichelt ihm schonmal ein Teilnehmer mit den Worten „Sie sind mein Vorbild“. Warum?


Chang ist der Gründer des vielleicht wichtigsten Unternehmens der Welt: Taiwan Semiconductor Manufacturing Corporation TSMC. Das Unternehmen hat einen Marktanteil von fast 90 Prozent bei der Produktion modernster Chips.
Solche Halbleiter kommen in den Smartphones zum Einsatz, bei Elektro-Autos und bei modernen Waffensystemen. Die USA haben derzeit einen großen technologischen Vorsprung vor Konkurrenten wie China oder Russland.
Das zeigt sich sogar beim Ukraine-Krieg: Während Javelin-Panzerabwehrraketen mit Präzisions-Sensoren ausgerüstet sind, ergaben Studien, dass die meisten russischen Geschosse “blind” abgefeuert werden. (In der Ausgabe “Der Chip-Krieg” geht es ausführlicher um die Anwendungsgebiete von Halbleitern).
Chips werden immer kleiner: Die modernsten haben eine Größe von 3 Nanometern. Aus amerikanischer Sicht bestand lange ein Dilemma in der Halbleiter-Industrie: Der wichtigste Kunde modernster Chip-Technologie war gleichzeitig der größte Konkurrent. Während die Absatzzahlen amerikanischer Unternehmen in China stiegen und stiegen, verringerte sich gleichzeitig der technologische Vorsprung. China war bis vor einem Jahr in der Lage, Halbleiter mit einer Größe von 7 Nanometern herzustellen. Würde man indessen Sanktionen gegen chinesische Unternehmen verhängen, um sich den eigenen Vorsprung dieser für das 21. Jahrhundert so wichtigen Technologie zu sichern, verlöre man gleichzeitig den größten Kunden. Zudem war die Welt unter Obama eine andere: Das Paradigma lautete “mehr Globalisierung”. Technische Innovationen würden sich ohnehin nicht aufhalten lassen. China müsse man deswegen einbinden, so wie man es einige Jahrzehnte zuvor mit Japan getan habe.
So dachte man lange, bis sich unter der Trump-Administration eine härtere Wirtschaftspolitik gegen China durchsetzte. Mittlerweile ist die neue Politik Konsens beider Parteien.
Der technologische Abstand im Bereich Halbleiter soll vergrößert, und China von amerikanischen Produkten abgeschnitten werden. Dazu dienen „Export-Kontrollen“, eigentlich ein Instrument der Verteidigungspolitik, um bestimmte für Waffensysteme wichtige Schlüsseltechnologien im Land zu behalten.
Im Oktober vergangenen Jahres trat der „CHIPS Act“ in Kraft. Das Gesetz besagt, dass alle Unternehmen, in denen auch amerikanische Produkte zum Einsatz kommen, Exportlizenzen bei der amerikanischen Regierung beantragen müssen. Da dies bei nahezu allen Halbleiter-Produkten der Fall ist, liegt die Kontrolle über die Chip-Produktion de facto in Washington. Zwar ist auch China in die Lieferketten eingebunden, allerdings steht das Festland eher am Ende der Fertigung: Hier werden die Halbleiter montiert und in Geräte wie Smartphones eingebaut. Diese Teile des Produktionsprozesses sind am leichtesten zu verlagern - zum Beispiel nach Indien oder Vietnam.
Anfang März schlossen sich auch Japan und die Niederlande den Exportkontrollen an. Beide Länder haben Schlüsselrollen in den Wertschöpfungsketten. So fertigt die niederländische ASML Lithografie-Maschinen an. Bei diesem Verfahren werden die Schaltkreise mit extrem ultraviolettem Licht quasi hineingebrannt. Die Maschinen dafür kosten Millionen und müssen von speziell geschulten Personal bedient werden. ASML wollte noch 2021 Technologie an den größten chinesischen Halbleiter-Produzenten Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) verkaufen. Auf amerikanischen Druck hin wurde dies gestoppt
Während China derzeit Erfolge aufweist, sich den Rohstoff des 20. Jahrhunderts zu sichern, und sich die BRICS-Staaten immer mehr als Block herausbilden, hinkt Peking beim “Rohstoff des 21. Jahrhunderts” weit hinterher. (Mehr dazu in der Ausgabe von vergangener Woche: “Bloc-Party”)
Zwar konterte Peking im Dezember 2022 mit einem Subventionspaket in Höhe von 143 Milliarden US-Dollar, hinkt aber weit hinterher: So kann das einzige chinesische Lithografie-Unternehmen, Shanghai Micro Electronics Equipment, Chips von 90 Nanometer herstellen. Marktführer ASML kommt auf drei Nanometer.
Diese Woche zog China abermals nach: Eine Handvoll chinesischer Unternehmen darf nun auf staatliche Unterstützung zurückgreifen, wenn es um Halbleiter geht. Damit will Peking den Abstand in der Chip-Industrie verringern. Wie hoch die Subventionen sind, ist nicht bekannt. Klar aber ist, dass die für moderne Produkte wie Smartphones, Elektroautos und Waffensysteme so wichtige Industrie längst Staatssache ist.
Der Kampf um den „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ ist hochpolitisch. Rund drei Viertel aller Chips werden in Ostasien produziert - vor allem in Südkorea, Japan und Taiwan. Der Insel, die von China beansprucht wird, kommt dabei eine besondere Rolle zu, da sie bei den modernsten Halbleitern einen Marktanteil von 90 Prozent hat. Die Präsidentin Taiwans, Tsai Ing-Wen, bezeichnete die Chip-Industrie deswegen auch „Silizium Schild“. Da im Falle einer chinesischen Invasion die Halbleiter-Industrie der Insel zerstört werden würde, schrecke dies Peking ab. Das allerdings ist eine optimistische Sicht - schließlich wird die Kontrolle Taiwans für Peking damit auch attraktiver.


Allerdings wird die neue Politik der USA nicht überall unter den asiatischen Partnern gefeiert. Jüngst beklagte das südkoreanische Handelsministerium, der CHIPS Act sorge für Unsicherheit in der Branche. Das südkoreanische Unternehmen Samsung ist einer der wichtigsten Produzenten von Speicherchips. Auch in Taiwan äußerte man sich jüngst etwas besorgt: Man sei nicht Teil des „Friend Shorings“. Morris Chang beklagte eine Verlagerung der Industrie in die USA würde die Produkte eben auch teurer machen:
"The pervasiveness of semiconductors is primarily due to its ever-cheaper costs...If you give up the competitive advantage in Taiwan and move to the U.S. -- which has already happened -- costs would be 50% higher than in Taiwan.“
Krieg ist inflationär - sei es ein heißer Krieg wie in der Ukraine, oder ein noch kalter Wirtschaftskrieg in Ostasien.
Wenn Dir der Artikel gefallen hat, dürfte Dich auch mein neues Buch “Die dreckige Seidenstraße” interessieren. Ich bin dafür in mehrere Länder des “Globalen Südens” gereist, um über Chinas Einflussnahme zu recherchieren: Es erscheint im Mai im Goldmann-Verlag und kann man kann es hier vorbestellen:
Ein Artikel über Bitcoin Mining wäre interessant… Hardware, Energieverbrauch (Thema Greenpeace USA) etc…