

Discover more from BlingBling
Liebe Abonnenten,
vor allem in Europa wird uns die Inflation noch länger begleiten. Immer öfter ist in letzter Zeit von Begriffen wie “Gierflation” zu reden. Damit wird suggeriert, nicht die expansive Geldpolitik sei die Ursache der Inflation, sondern raffgierige Unternehmen. Zeit also für einen Gast-Beitrag, der einmal volkswirtschaftlich erklärt, wie Inflation wirklich entsteht. Der Text ist für BlingBling-Verhältnisse relativ technisch. Dafür fasst das neue Deichkind-Video den Inhalt einmal simpel und knapp zusammen.
1. Preisaggregate
Ohne Intervention sinken Preisaggregate in der Regel im Laufe der Zeit. Einige Waren oder Dienstleistungen werden billiger, während andere teurer werden, aber in Summe sinken Preise. Dies ist auf deflationäre Kräfte wie Technologisierung, Globalisierung oder günstige demografische Bedingungen zurückzuführen, die allesamt die Produktivität erhöhen können.
2. Geldpolitik
Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank unterliegt dem Mandat der Preisstabilität. Diesem Mandat liegt der Gedanke zugrunde, dass bei sinkenden Preisaggregaten eine expansive Geldpolitik betrieben wird (bspw. niedrigere Zinssätze) und bei steigenden Preisaggregaten restriktive Maßnahmen ergriffen werden (bspw. höhere Zinssätze).
Aufgrund von Technologisierung etc. gehen die Preisaggregate immer mehr zurück. Insbesondere von 2010 bis 2020 mussten die Zentralbanken eine immer expansivere Geldpolitik betreiben, um ein positives Inflationsziel von ca. 2 Prozent pro Jahr zu erreichen. In der folgenden Grafik sehen Sie das „natürliche“ Preisaggregat (blaue Linie) und eine positive Verbraucherpreisinflation (orange Linie) zwischen 0 und 2 Prozent. Die roten Pfeile zeigen die Wirkung der expansiven Geldpolitik.
Abbildung 2: Wie die Geldpolitik Preisstabilität schafft.
Empirisch messen wir nur die Verbraucherpreisinflation, die idR. Zwischen 0 und 2 Prozent liegt. Daher entsteht bei einigen Menschen der Eindruck, dass expansive Geldpolitik nicht inflationär wirke. Im folgenden Interview beschreibt Christine Lagarde den Umstand, dass die EZB gegen fallende Preise kämpfte.
Ich muss zugeben, dass alles, was Christine Lagarde hier über den technokratischen Prozess sagt, völlig richtig ist. Aber kam die Inflation aus heiterem Himmel? Diese Aussage ist wohl eher funktionale Kommunikation, um die Tatsache zu verschleiern, dass die EZB nur schlecht mit steigenden Preisen umgehen kann. Lassen Sie mich das erklären.
3. Inflation
Um das Inflationsziel zu erreichen, muss neu erschaffenes Geld nachfragewirksam werden, also in der Realwirtschaft ankommen. Moderne datengetriebene Zentralbanken wie die EZB übertreiben expansive Geldpolitik i. d. R. nicht, zumindest nicht über ihr Mandat hinaus. Was tatsächlich passiert, ist, dass sie eine Situation schaffen, in der sie nicht zu einer restriktiven Geldpolitik übergehen können, wenn die Preise steigen.
In der folgenden Abbildung sieht man, dass das Preisaggregat, das lange Zeit gesunken ist (blaue Linie), in t+8 plötzlich ansteigt. Der Grund dafür kann sein, dass das Angebot an Gütern z. B. aufgrund externer Schocks schrumpft oder die Nachfrage nach ihnen z. B. aufgrund von staatlichem Helikoptergeld zu stark gestiegen ist.
Abbildung 3: Konsumentenpreisinflation wird nach t+8 messbar.
Richtig wäre es laut Mandat der Zentralbanken, die Geldmenge, die in die Realwirtschaft fließt, zu reduzieren. Nötig hierfür wäre ein Anstieg des Leitzinses, der über die Inflationsrate hinausgeht (positive Realzinsen), um die Nachfrage nach Kredit und somit nach Gütern zu senken. Dies ist jedoch nicht möglich, da Unternehmen, private Haushalte und der Staat aufgrund der hohen Verschuldung via Kredit zahlungsunfähig werden würden und vom billigen Geld abhängig sind. Eine Rezession wäre vorprogrammiert.
Folgend eine Metapher, die die Inflationsproblematik veranschaulicht: Stellen Sie sich vor, es ist ein frostiger Winter, aber Ihr Auftrag lautet, 2 °C Stabilitätstemperatur zu erreichen. Sie stellen Heizpilze auf, aber es wird immer kälter. Also stellen Sie noch mehr Heizpilze auf, ohne zu wissen, wie man sie wieder abbaut. Dann kommt der Frühling und Sie messen plötzlich 40 °C und sagen, die Wärme sei aus dem Nichts gekommen.
Das ist Inflation — die Ausweitung der Geldmenge in die Realwirtschaft und die fehlende nachhaltige Möglichkeit, dieses Geld bei Nachfrageüberhang abzuziehen. Daraus folgt, dass wir über die Vor- und Nachteile der Preisstabilität sprechen müssen, die die pfadabhängige Voraussetzung für die Verbraucherpreisinflation ist und eine geldpolitische Einbahnstraße darstellt.
Dem Autor des Beitrags kann man hier auf Twitter folgen
Der Original-Beitrag ist hier auf der Plattform Medium erscheinen.
Mehr zum Thema auf BlingBling:
Das gute alte Geld - Ein neues Buch über die D-Mark will mit einem Mythos aufräumen.
Wie entsteht Inflation?
Obwohl technische als sonst, danke für die gute Titel. Am Anfang oder am Ende wäre ein TL;DR gut ;).