Verzerrte Wahrnehmung
Jahrelange galten Rolex-Uhren als gute Investition. Warum "Cryptobros" für den Preisverfall verantwortlich sind, und was man daraus über Preisdeckel bei Gas und Strom lernen kann.
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Es gab eine Zeit, da brachte assoziierte man Rolex-Uhren weniger mit Dudes in Dubai, die auf Youtube ihre Coaching-Videos bewerben, sondern mit der Eleganz eines Sean Connery. Die Uhren-Markte tauchte in den Sechzigern und Siebzigern immer wieder in James-Bond-Filmen auf. Am bekanntesten in „007 jagt Dr. No“ aus dem Jahr 1963.
Die Schweizer Marke verfolgt seit jeher eine interessante Marken-Politik, aus der sich so manches über den Zustand unserer Welt und die Märkte im Allgemein lesen lässt. Denn anders als die meisten anderen Unternehmen richtet sich die Marke nicht nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage.
Die Anzahl von Uhren, die die Schweizer Firma an ihre zertifizierten Händler ausliefert, schwankt kaum. Sie liegt derzeit bei rund 800000 Uhren pro Jahr und deckt nicht die Nachfrage. Vor allem aber: Der Preis wird von Rolex kaum angepasst. Eine Submariner 114060 kostet 7350 Euro. Egal, ob gerade sehr viele Leute eine solche Uhr haben wollen oder nicht.
Nun war es in den vergangenen Jahren so, dass sehr viele Leute eine solche Uhr haben wollten. Vor den Rolex-Läden entstand eine virtuelle Schlange. Die Warteliste betrug für solche Uhren teils ein Jahr oder noch mehr. Was aber, wenn viel Geld, aber keine Zeit hat? In diesem Fall bietet man demjenigen, der mehr Zeit, aber nicht ganz so viel Geld hat, einen Preis dafür an. Sprich: Jemand am hinteren Ende der Schlange sagt jemanden, der gleich dran kommt: Gib mir doch Deine Uhr, ich kauf sie Dir für 8350 Euro ab.
Das ist bei Rolex in großem Stil in den vergangenen Jahr passiert. Da plötzlich sehr viele - junge - Leute zu Geld gekommen waren und diese irgendwie ein sichtbares Symbol ihres Erfolgs haben wollten, wollten sie Rolex-Uhren. Da die Wartezeiten für eine Uhr aber mehrere Monate betrugen, entstand ein Sekundärmarkt.
Mehr dazu in BlingBling: Some like it hard - Die Preise von Rolex-Uhren erzählen derzeit viel über die Psychologie der Preissteigerungen
Die Preise auf diesem Sekundärmarkt waren schwindelerregend: Wer eine Rolex Submariner für 7350 Euro im Laden kaufte, konnte sie auf der Stelle für 16000 Euro auf dem Sekundärmarkt verkaufen. 8000 Euro Gewinn für nix bzw. für etwas Zeit absitzen.
Eine Spirale entstand. Dazu mag auch beigetragen haben, dass viele der Käufer aus der Bitcoin- und Shitcoin-Szene kamen. „Ich sag mal, eine Menge Crypto-Bros“, haben die Preise getrieben“, sagt ein Uhrenhändler aus München. “Und die haben jetzt nicht mehr so viel Geld.” Eine Rolex galt bald als gute Geldanlage. Hard, sound money - aber mit Wertgewinnen von 20 Prozent und mehr im Jahr. Ein „Verlust“ schien mit einer Uhr nicht möglich, außer man verliert sie. BlingBling kennt einige “Crypto-Bros”, die in den vergangenen zwei Jahren ihr Bitcoin-Vermögen in Uhren umgeschichtet oder zumindest diversifiziert haben.
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