Über Geld nachdenken
Bitcoin, CBDCs, totale Überwachung oder grenzenlose Fülle - Wie sieht die Zukunft des Geldes aus? Magic Future Money hat ein paar Antworten
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Eine der magischen Tore, die Bitcoin öffnet, ist es, über das Wesen von Geld nachzudenken. So zumindest ergeht es den meisten Menschen, wie sie zum ersten Mal mit Bitcoin in Berührung kommen: Sie lesen über die Blockchain, dezentrale Strukturen, “hartes Geld” und fallen in den Kaninchenbau, ins Rabbit Hole. Wer einmal dort angekommen ist, sieht die Welt mit anderen Augen. Es gibt kein Zurück. Die Beschäftigung mit Geld ist ein Blick auf die Matrix, das Skelett, das unser Wirtschaftssystem, ja unsere ganze Welt, zusammenhält. Bitcoin schärft den Blick auf das Wesentliche, die Essenz, und wer das einmal verstanden hat, der ist nicht mehr so leicht in die Irre zu führen durch Lügen und Halbwahrheiten, wenn diese von Institutionen verbreitet und manchen Medien kritiklos amplifziert werden.
Für viele wird Bitcoin deswegen zur Offenbarung, Heilsbringer oder Apokalypse (was im Wortsinn übrigens auch Enttarnung und Entschleierung bedeutet): Zum Endpunkt, auf den alles zulaufen muss. Aber ist es das wirklich? Kommt wirklich die “Hyper-Bitcoinisation”? Und wenn ja, was folgt danach?
Friedemann Brenneis, der auch hinter dem ältesten (noch existierenden) Bitcoin-Podcast "Honigdachs” steckt, hat deswegen dazu aufgerufen, über das Geld der Zukunft nachzudenken. Daraus entstanden ist “Magic Future Money”, eine Sammlung von Kurzgeschichten über die Zukunft des Geldes.
Friedemann, Magic Future Money, ist ein Buch, Wettbewerb, Projekt - was genau? Und wie kam es dazu?
Die Vorgeschichte liegt schon sehr lange zurück, nämlich sieben Jahre, als ich anfing, mich mit Bitcoin zu beschäftigen und ins Rabbit Hole fiel. Ich habe mich damals gefragt: Ist Bitcoin das Geld der Zukunft oder die Vorstufe? Was kommt danach? Und diese Fragen beschäftigen mich heute noch genauso.
Auf Konferenzen habe ich immer wieder Leute gefragt: Wer beschäftigt sich bei Euch mit der „Zukunft des Geldes“. Und das war immer etwas enttäuschend. Die kannten die neuen Regeln der Bafin und solche Sachen. Aber es gab kaum jemanden, der sich intellektuell mit der Frage auseinandersetzte.
Parallel dazu habe ich mich darauf geachtet, wie das Thema in Zukunfts- und Science-Fiction-Literatur behandelt wird. Und auch da gab es kaum etwas. Geld ist - übrigens ähnlich wie Mode - ein blinder Fleck, das bestätigten mir Zukunftsforscher und Buchhändler. Obwohl ja Autoren wie Jules Verne ganz viele Erfindungen vorhergesagt haben: Drohnen, Flugzeuge und solche Sachen - über Geld macht sich kaum jemand Gedanken. 1888 hat sich zwar jemand in einem Buch die Kreditkarte vorgestellt. Aber das war es dann auch schon.
All das habe ich einmal für einen Vortrag zusammengefasst, und so kam es zur Idee, einen Wettbewerb auszuschreiben. Die Vorgaben waren bewusst sehr gering, was die finanzielle Vorbildung angeht. Wir wollten einfach wissen: Was sind Eure Hoffnungen, Ängste, Ideen?
Und daraus entstand dieses Buch, das am 23.11. im Aprycot-Verlag erscheint.
Du bist ja selbst mit dem sehr zu empfehlenden Podcast Honigdachs schon seit Jahren in der Bitcoin-Szene aktiv. Und es liegt nahe, dass sich alle Geschichten des Buches um Bitcoin als Geld der Zukunft drehen. Das ist aber gar nicht der Fall. Warum?
Das wollte ich tatsächlich auch so. Natürlich war das Interesse aus der Bitcoin-Szene groß, und die Leute haben das auch finanziell ermöglicht. Für die Geschichten gab es ja ein Preisgeld in Höhe von 0,3 Bitcoin, das der Bundesverbank Bitcoin gespendet hat. Das waren Anfang Januar, als wir den Wettbewerb starteten, noch nicht so viel Geld. Jetzt ist eine hübsche Summe. Obendrauf gab es eine Hardware-Wallet, damit die Leute, die Bitcoin nicht verlieren. Die Idee war aber, nicht nur über Bitcoin nachzudenken, das findet ja auf Twitter schon genug statt. Es ging mir schon darum, die Frage bewusst offen zu halten, und viele Möglichkeiten zu denken.
Ich habe auch gezielt Leute aus der Finanzbranche, der Science-Fiction- und Literatur-Szene angesprochen, also solche, die nicht unbedingt viel mit Bitcoin zu tun haben.
Eine Geschichte dreht sich zum Beispiel um eine Verzahnung unseres Körpers mit Geld. Nach welchen Kriterien wurden die Geschichten ausgesucht?
Es gab eine Jury aus neun Leuten, das waren Zukunftsforscher, Buchhändler, Journalisten, Psychologen, Physiker - eine bunte Mischung. Für mich war das ja eine Premiere. Mir war außerdem wichtig, dass die Geschichten unter einer CC-Lizenz sind. Es wird also noch ein kostenloses E-book geben.
Überraschend war für mich die Resonanz: Ich hatte mit vielleicht 50 bis 70 Geschichten gerechnet. Am Ende waren es 290, zehn Mal mehr als in das Buch passen. Nochmals 50, die es knapp nicht ins Buch geschafft haben, werden auf der Website veröffentlicht.
Auffallend ist, dass die Geschichten alle literarisch hochwertig sind.
Das war auch Kriterium für die Jury - Idee und Lesbarkeit sollten beides gleichwertig sein.
„Ob die Leute früher auch so bestechlich waren, als der Renminbi noch aus Münzen und Scheinen bestand? Ich hatte das letzte Mal als Fünfjährige Papiergeld in der Hand, bevor es die Volksrepublik China einziehen ließ und restlos durch WeChat Pay ersetzte. Die App auf dem Smartphone, mit der man alles zahlen kann. Sicher, schnell und einfach. Und überwacht. Damals weinte kaum ein Chinese dem alten Geld nach, die stinkenden Banknoten benutzte seit der Pandemie sowieso niemand mehr. Als erstes Land der Welt in die neue Zeit einzutreten – darauf war man stolz.“
“Eine Handvoll Glas” von Sylvia Barron.
In einer Geschichte ist der Grundbesitz verstaatlicht. Gehaltserhöhungen bekommt man zugeteilt über „Schichenaufstieg“. Sind die Geschichten eigentlich alle dystopisch? Gibt es auch Utopien?
Science Fiction dreht sich oft um technische Weiterentwicklung, behandelt aber gleichzeitig die Ängste der Gegenwart. Was man bedenken muss: Wenn man Geld in den Mittelpunkt einer Geschichte stellt, braucht man einen Konflikt. Bei Geld landet man schnell bei Druck und Zwang und was man für Geld tun beziehungsweise nicht tun würde.
Hinzu kommt, dass viele Menschen mit Geld einfach nichts Positives verbinden. Wie viele Menschen quälen sich täglich in eine Arbeit, die sie nicht mögen, nur weil sie Geld brauchen? Und schließlich wissen wir auch sehr wenig über Geld.
Nachdenken über Geld ist wie ein Muskel, den man so gut wie nie benutzt. Wenn man es zum ersten Mal macht, tut das eher weh. Trotzdem hat mich überrascht, wie viele Aspekte in den Geschichten behandelt werden: Was ist uns etwas wert, und warum? Und wie messen wir das? Es ist ein vernachlässigtes Thema.
Die Beschäftigung mit Bitcoin lässt viele Leute erstmals über Geld nachdenken. In welche Richtung führt das bei den meisten Menschen?
Es gibt ein tolles Zitat Morgen Peck: "Ich möchte Satoshi Nakamoto persönlich dafür danken, dass er Geld endlich interessant genug gemacht hat, um darüber zu schreiben" Und das sehe ich ganz genauso.
Es ist ja auch ein historisches Novum. Wahrscheinlich haben noch nie so viele Leute sich über Geld Gedanken gemacht wie heute.
Das Gefühl habe ich, ja. Millionen Menschen fangen auf einmal an, über ein Thema nachzudenken, das bisher immer ausgeblendet wurde. Diese intellektuelle Bewegung ist unglaublich spannend. Und das wollten wir mit Magic Future Money zeigen: Über Geld nachdenken, kann Spaß machen.
Wenn man zu viel auf Twitter rumhängt, kann man irgendwann das Gefühl bekommen, dass die Bitcoin-Bewegung intellektuell geschlossener wird. Da werden immer wieder dieselben Parolen wiederholt. Manches wirkt geistig erstarrt.
Wir wollten diesen Denkraum wieder weiter öffnen. In unserem Podcast haben wir uns diesem Thema auch einmal angenommen. Und da sprach Bernd Flessner das Problem der „involvierten Experten“ an. Das sind Leute, die sich sehr gut mit einem Thema auskennen, aber dadurch eine Art Tunnelblick bekommen. Wie die Flugpioniere Wright, die sagten: Man wird nie über den Atlantik fliegen können, weil die Turbulenzen zu groß sind. Journalisten und Experten sind irgendwann so tief in die Details eingearbeitet, dass sie da nicht mehr rausfinden. Deswegen tun sich ja auch in der Finanzbranche so viele Leute schwer, Bitcoin zu verstehen. Es passt einfach nicht in ihr Denkschema. Die vergleichen es immer nur mit dem bestehenden Geld, anstatt sich einmal zu fragen: Kann Geld nicht etwas ganz anderes sein. Die sehen Bitcoin zum Beispiel oft als Produkt, während ich es zunehmend als Prozess wahrnehme.
Und wer sich lange genug mit Bitcoin beschäftigt, dem geht auch manchmal die geistige Flexibilität verloren. Niemand ist davor gefeit, ein „involvierter Experte“ zu werden. Das Problem lässt sich auch nicht lösen. Viele Geschichten, die sich um Bitcoin gedreht haben, erzählten meist das, was wir eh schon wissen, anstatt den Ansatz noch weiter zu denken, zum Beispiel der Frage nachzugehen: Was ist multidimensionales Geld.
Was ist multidimensionales Geld?
Ich weiß es auch nicht! Aber das schrieb einer unserer Jury-Mitglieder auf seinen Zettel, in der Hoffnung, jemand könnte dieser Frage nachgehen. Daran aber merkt man, wie simpel und primitiv wir oft über das Thema denken, und wie viel Raum noch da ist. Vielleicht ist multidimensionales Geld so eine Art Verknüpfung von Payback-Punkten, Kreditkartengeld, Bitcoin, Gold aus World of Warcraft und Flugmeilen. Das ist aber richtig anstrengend, darüber nachzudenken. Aber es ist unglaublich spannend.
Deflation und Inflation - spielt das eine Rolle bei den Geschichten?
Ja, in einer taucht Schrumpfgeld auf, also Geld, das an Wert verliert. Viele aber berühren das Phänomen nur am Rande. Eine Geschichte skizziert eine Welt, in der alles monetarisiert ist, so hängt dort das Gehalt auch von den Schulnoten der Kinder ab. Viele Geschichten muss man auch mehrfach lesen, und sich auf die Gedankenwelt einlassen.
Bei Deinen eigenen Recherchen bist Du auf den Fakt gestoßen, dass sich selbst bei den Thinktanks der Bundesbank kaum so jemand Gedanken über das Geld der Zukunft macht. Warum machen wir uns über alles mögliche Gedanken, nur nicht über Geld?
„Es gab keine offiziellen Informationen darüber, was genau passiert war. Aber das Geld war weg. Innerhalb von wenigen Stunden hatten Unbekannte nach inoffiziellen Schätzungen 98 Prozent der Konten weltweit auf Null gesetzt. Auch die, die im Minus waren. Die Vermögen waren weg. Die Schulden waren auch weg.“
„#BackToZero“ von Gregg Irol
Das hat systemische Ursachen. Ich habe mich mit der Forschungsabteilung der Bundesbank unterhalten, und deren Zeithorizont beträgt eben nicht mehr als fünf Jahre. Und natürlich ist für Experten in der Bundesbank nicht vorstellbar, dass es die Bundesbank nicht mehr gibt. Das ist der Vorteil von Science-Fiction-Autoren, die können viel freier denken. Die haben alle Möglichkeiten auf dem Tisch.
Totale Überwachung auf der einen Seite und auf der anderen Seite Bitcoin, das für viele Menschen so etwas wie Befreiung, oder zumindest Hoffnung darauf geworden ist. Sind das die beiden Pole, zwischen denen wir uns bewegen?
Ich glaube, es gibt viele Pole. Aber das ist sicherlich ein Aspekt der Zukunft des Geldes. Das staatliche Digitalgeld wäre schon vor Jahren möglich gewesen. Warum macht man es jetzt? Weil man von Bitcoin getrieben ist. Die staatlichen Akteure hinken hinterher. Nationalstaaten und Zentralbanken können mit der technologischen Entwicklung gar nicht Schritt halten. Ich glaube übrigens auch nicht, dass Bitcoin das einzige Geld sein wird.
Warum nicht?
Weil Bitcoin nicht perfekt ist.
Wenn Du das twitterst, würdest Du einen Shitstorm verursachen. Aber im Ernst: Wo siehst Du am ehesten Nachholbedarf?
Ich glaube nicht, dass es das „perfekte Geld“ je geben wird. Vielleicht brauchen wir irgendwann gar kein Geld mehr. Was ist, wenn wir eine Art Star-Trek-Szenario kommen, ein „Post-Scarcity-Scenario“, wo eigentlich genug für alle da ist? Geld bemisst Knappheit und wenn es keine Knappheit mehr gibt, wofür brauchen wir dann noch Geld?
„Unendlich viel Geld? Wie soll das funktionieren? Welches Finanzsystem könnte bestehen, wenn es unendlich viel Geld in Umlauf bringt?» Die beiden hoben ahnungslos die Schultern. «Ich will es euch erklären», sagte Kamal. «Ihr wurdet enteignet. Euer gesamter immaterieller Besitz wurde bei der Umwandlung in den Staatshaushalt 54 55 Unendlich reich zurückgeführt, eure Konten geleert“
Unendlich reich von Christian H. Jonka
In der ökonomischen Ausbildung kommt solche Gedanken oft zu kurz. Deswegen freuen sich auch viele Bitcoiner, dass zum Beispiel die Österreichische Schule wieder Würdigung erfährt. Die Digitalisierung hat, was Geld betrifft, gerade erst begonnen. Mit der Blockchain haben wir eine Art neue Zeitrechnung, die aber nur im Digitalen funktioniert. Alles, was wir aus der Ökonomie wissen, beruht auf der vor-digitalen Vergangenheit. Das macht mich demütig und auch offen gegenüber Bitcoin.
Du bist Teil einer Delegation, die demnächst nach El Salvador reist. Das Land hat ja gerade Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel erklärt. Wie kam es dazu?
Das ist tatsächlich eine offizielle Reise, weil die deutsche Bitcoin-Community „Beziehungen“ aufgenommen hat. Als die Regierung von El Salvador Bitcoin zum offiziellen Zahlungsmittel erklärte, sind ein paar deutsche Bitcoiner zur Botschaft in Berlin gegangen und haben einen Blumenstrauß und ein Bitcoin-Standard-Buch vorbeigebracht. So kam diese Verbindung zustande. Normalerweise wird das ja von Handelskammern und Wirtschaftsverbänden organisiert und das ist hier ganz anders. Das finde ich auch sehr spannend. Der Aspekt, dass Bitcoin solche Organisationsstrukturen hervorbringt.
Das genaue Programm steht noch nicht fest, aber auf jeden Fall gibt es eine Konferenz zum Lightning-Payment. Außerdem werden wir uns Vulkan-Mining ansehen und den Bitcoin-Beach besuchen. Aber natürlich gibt es dort auch ein paar negative Aspekte und Fragen, denen ich gerne nachgehen würde. Bitcoin ist ja ein freies Projekt und jetzt wurde das ja über die Köpfe der Bürger hinweg eingeführt.
Ein schönes Wochenende!
Als ich diesen Newsletter im Dezember 2020 startete, hätte ich nie gedacht, wie groß das Projekt einmal werden würde, und wieviel Freude es mir bereiten würde. Ich wollte ein Format, in dem ich meine Gedanken und meine Faszination über Geld (oft Bitcoin, aber nicht nur) zum Ausdruck bringen kann. Mittlerweile lesen BlingBling jede Woche über 1000 Menschen, und täglich werden es mehr.
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