Spieler und Helden
Michael Saylor, Bitcoin-Apologet und im Nebenberuf CEO eines börsennotierten Software-Unternehmens, geht von Bord. Ein Nachruf
Liebe BlingBling-Leser,
Helden sind Helden, wenn sie gewinnen, und Spieler, wenn sie verlieren. Michael Saylor ist seit bald zwei Jahren Held der Bitcoin-Bewegung. Er hat als erster CEO eines börsennotierten Unternehmens Bitcoin gekauft, und wird nicht müde, die Vorzüge des dezentralen Netzwerks zu preisen.
Saylor, 57, kennt die Höhen und Tiefen des Business. Während der Dotcom-Bubble in den Neunzigern wurde er mehrfach ausgezeichnet als „Hightech Entrepreneur of the Year“ (KPMG 1997) oder als „Innovator unter 35“ (MIT Technology Review 1999). 1998 brachte er sein Unternehmen Microstrategy an die Börse. Die Aktien vervielfachten während des Bullenmarkts, so dass sein Vermögen auf sieben Milliarden US-Dollar anwuchs. Kurz darauf erhob die SEC Anklage gegen Saylor wegen Falschangaben bei den Bilanzen. Die Vorwürfe wurden nie aufgeklärt, da man sich auf einen Vergleich einigte. Saylor zahlte ein paar Millionen Strafe und ungefähr zeitgleich platzte auch die Dotcom-Bubble. Saylors Milliarden waren wieder weg und für 20 Jahre wurde es relativ still um das Unternehmen.
Saylor blieb CEO und Microstrategy stellte relativ erfolgreich Analyse-Software her. 2020, bevor die Saylor-Saga begann, setzte das Unternehmen rund eine halbe Milliarde US-Dollar um und beschäftigte 2000 Mitarbeiter. So weit so gut. Nur echten Spielern Helden wird bei einem solch gemächlichen Leben langweilig.
Ein neues Kapitel begann 2020, als Saylor Bitcoin entdeckte. Als erster CEO eines börsennotierten Unternehmens investierte er Teile des Firmenkapitals. Saylor hatte den richtigen Riecher. Kurz darauf folgt ihm der vielleicht größte Spieler Held des 21. Jahrhunderts, Elon Musk.
Für die HODLer und Bitcoin-Plebs wurde er bald zum Helden: Crashte Bitcoin mal 30 Prozent innerhalb von zwei Wochen tauchte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Saylor auf und verkündete wieder, gerade für ein paar hundert Millionen Bitcoin gekauft zu haben.
Saylors Liebe für Bitcoin nahm, nun ja, leicht obsessive Züge an. Er empfahl, sein Haus, seine Wertgegenstände und überhaupt alles, zu verkaufen und in Bitcoin zu investieren. Und wenn man das getan habe, dann könne man auch noch einen Kredit aufnehmen und Bitcoin kaufen. Das ist so ziemlich das Gegenteil eines diversifizierten Portfolios, aber hey, wir reden eben auch über eine fucking revolution.
“Once you know how it all ends, the only use of time is…how do I buy more Bitcoin? But take all your money and buy Bitcoin. Then take all your time, figure out how to borrow more money to buy more Bitcoin. Then take all your time and figure out what you can sell to buy Bitcoin. And if you absolutely love the thing, that you don’t want to sell it, go mortgage your house and buy Bitcoin with it. And if you’ve got a business that you love because your family works for the business and it’s in your family for 37 years, and you can’t bear to sell it, mortgage it, finance it, and convert the proceeds into the hardest money on earth, which is Bitcoin.”
Kritiker unterstellten ihm, vielleicht auch das eine oder andere Drogen-Problem zu haben. Immerhin muss man Saylor zugute halten, dass er nicht Wasser predigt und Wein trinkt: Saylor kaufte jeden motherfucking Dip (buy the motherfucking dip = BTMFD) und seine Firma Microstrategy gilt jetzt mit rund 129218 Bitcoins einer der größten Bitcoin-Besitzer überhaupt.
Was Saylor dagegen mit seinem Privatvermögen getan hat, ob er auch damit all-in-Bitcoin gegangen ist, wissen wir nicht. Und jetzt nähern wir uns auch langsam dem eigentlichen Problem von Microstrategy an:
Saylors Firmenstrategie mag vielen Bitcoinern gefallen, nicht aber unbedingt den Aktionären und Board von Microstrategy. Saylor ist diese Woche als CEO zurückgetreten - natürlich, um sich noch mehr auf Bitcoin konzentrieren zu können. Sein Nachfolger wird Phuong Le, der zuvor COO und CFO war - also für die Finanzen zuständig war (der dritte innerhalb von drei Jahren).
Kein Problem für Bitcoin, heißt es. Saylor bleibt ja im Aufsichtsrat und ist zudem größter Anteilseigner, und wenn er Nein sagt, kann das Unternehmen Microstrategy auch keine Bitcoin verkaufen. Dass Saylor von Bord geht, sind also überhaupt keine schlechten Nachrichten für Bitcoin.
Was aber wenn Microstrategy muss?
Saylor hat in seiner Rolle als CEO die Bitcoins nicht mit seinem eigenen Geld gekauft, sondern das hat er sich bei Anlegern geliehen. Insgesamt so vier Milliarden US-Dollar. Saylors Durchschnittskurs soll bei 30000 Dollar liegen. Als Sicherheit für diese Anleihen hat er - ouroboros - Bitcoin hinterlegt.
Ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen, ist der Mechanismus folgender: Microstrategy gibt am Markt Anleihen heraus und kauft mit dem geliehenen Geld Bitcoin. Die Anleihen-Käufer können bei starken Verlusten der hinterlegten Sicherheit eine zusätzliche Sicherheitsleistung fordern (Margin Call).
MacroStrategy has to maintain a loan-to-collateral ratio of 50% or less at all times — meaning if the value of bitcoin falls to the point where that ratio isn't upheld, it will need to put up more bitcoin for collateral.
Substack-Kollege Doomberg hat diesen Mechanismus ausführlich beschrieben. Das hatte ebenjener neue CEO und ehemalige CFO von Microstrategy noch im Mai in einem Interview angedeutet. Sollte Bitcoin nachhaltig unter 21000 USD fallen, müsste Microstrategy die Sicherheitsleistung erhöhen. Woher aber soll das Geld kommen, wenn der größte Posten des Unternehmens bereits im Minus ist?
“1BTC = 1BTC”, würde Saylor wohl entgegen. Problem ist halt: Die von ihm aufgenommen Anleihe muss in Fiat zurückgezahlt werden.
Was also ist Microstrategy?
Effectively, MicroStrategy’s stock is an expensive call option on the future price of Bitcoin.
Saylor hat sein Unternehmen nicht nur an den Kurs von Bitcoin gekoppelt, er hat darüber hinaus dem ganzen noch eine Komponente aus Zeit (irgendwann muss die Anleihe zurückgezahlt werden) und Volatilität (Margin Call) hinzugefügt. Kann gut gehen. Kann auch richtig schief gehen.

Die Saylor-Saga ist also noch nicht zu Ende, und ob er am Ende als Held in die noch recht junge Bitcoin-Geschichte eingeht, oder ob er der Spieler ist, der zwei Mal in seiner Karriere fast seine Firma und Milliarden Anleger-Kohle verzockte, steht noch offen.
Schönes Wochenende!
Wenn Dir der Text gefallen hat, lass doch 1 like da, oder schreib 1 Kommentar.
Oder empfiehl BlingBling weiter!