Pekings Bitcoin Gamble
Die Regierung in China hat ein zwiespältiges Verhältnis zu Bitcoin. Nach dem Verbot soll Hongkong ein Crypto-Handelszentrum werden. Über kleine Entscheidungen mit globalen Konsequenzen
Liebe Abonnenten,
China sorgte im Mai 2021 für Aufsehen, als es den Handel und das Mining von Bitcoin (und anderen Kryptowährungen) verbot. Seitdem ist es einigen widersprüchlichen Entwicklungen gekommen, die derzeit in der Ankündigung kumulieren, Hongkong würde zum neuen Zentrum für den Handel von Kryptowährungen werden. Es geht wohl darum, regulierte Handelsplattformen zu zulassen, sogenannte „virtual asset trading platforms“ (VATPs). Am 31. März enden dazu die Konsultationen, und schon am 1. Juni soll das Projekt realisiert werden. Das wirft die Frage auf, ob China hinsichtlich Bitcoin vielleicht doch ein “doppeltes Spiel” betreibt. Was steckt dahinter?
Die Vorgeschichte: Hongkong blieb nach seiner Rückgabe an das Festland 1997 zunächst das Finanz- und Bankzentrum der Region. Chinesische Unternehmen nutzten die Sonderverwaltungszone, um hier an die Börse zu gehen. Neureiche Chinesen versuchten via Hongkong (oder über das benachbarte Macao), Geld außer Landes zu bringen. Aufgrund seiner Internationalität und seiner hohen Lebensqualität blieb die Stadt auch weiterhin bei Expats aus der ganzen Welt beliebt.
Seitens Peking aber bestanden schon länger Pläne, die Stadt zu marginalisieren, das heißt ihre Bedeutung relativ zu den nahe gelegenen Städten im Perlflussdelta wie Shenzhen oder Guangzhou zu verringern. Die KP in Peking sah sich darin bestärkt, als es 2014 zu Studentenprotesten für mehr Demokratie kam.
Die Lage spitzte sich 2019 derart zu, dass es immer wieder Gerüchte gab, wonach die Volksbefreiungsarmee in die Stadt einmarschieren sollte. Stattdessen aber kamen im Februar 2020 Lockdowns, Versammlungs- und Reiseverbote. (Ich frage mich bis heute, ob das System Lockdown, welches China ab März 2020 in die Welt exportierte, und das davor nie Teil der Pandemie-Bekämpfung gewesen war, nicht vielleicht entwickelt worden war, um die Protestes zu unterbinden. Aber das ist ein anderes Thema.)
Wenige Monate später wurde die einst zugesicherte Autonomie der Stadt beendet. In den nachfolgenden Monaten und Jahren kam es zu einem Exodus der internationalen Community, die nach Bangkok oder Singapur weiterzogen oder gleich in ihre Heimat zurückkehrten.
Seit dem Ende der Pandemie-Maßnahmen auf dem Festland im Dezember 2022 versucht Hongkong, nun etwas von der verlorenen Bedeutung zurückzuerlangen. Bloomberg schreibt:
Representatives from China’s Liaison Office and other officials have been frequent guests at the city’s crypto gatherings over the past months, swapping business cards and WeChat details, said people familiar with the matter, who asked not to be named discussing private information. (…)
Local crypto operators say their presence is clearing up any doubts about Beijing’s attitude toward Hong Kong’s efforts to become a crypto hub. The low-key support shows that officials are keen on using the laissez-faire city as a testing ground for digital assets as they keep a tight rein on any such activity on the mainland.
Nun gibt es zwei Deutungen dieser Entwicklung:
Möglich ist, dass es sich schlicht um eine gut angelegte Werbe-Aktion der Stadt Hongkong handelt, mit der man das in den vergangenen Jahren verlorene Kapital und Innovationskraft zurückbekommen will. In dem Fall hieße das: Unternehmen ja bitte, aber bitte nicht zu viel „hartes Geld“, mit dem unsere Bürger herumspielen.
Diese Deutung macht Sinn, dass die kontrollbesessene kommunistische Partei Chinas kein Interesse daran hat, nicht zensierbares Geld wie Bitcoin zu fördern. Vor allem legt Peking nach wie vor sehr viel Wert auf die Kapitalverkehrskontrollen: Jeder Chinese darf nicht mehr als 50000 US-Dollar pro Jahr außer Landes bringen. Ein Medium, mit dem man das Verbot unterlaufen kann, liegt nicht im Interesse der KP.
Auf der anderen Seite steht das seit Jahren erklärte Ziel Chinas, die Rolle des US-Dollars als globale Leitwährung zu unterminieren. Mit dem US-Dollar werden rund 60 Prozent aller Transaktionen weltweit getätigt, obwohl die Wirtschaftsleistung der USA nur noch knapp 17 Prozent beträgt. Vor allem: Die USA können Öl mit US-Dollar bezahlen, haben also die Möglichkeit, das Geld selbst zu drucken, das sie für Energie ausgeben. Mehr dazu hier:
Was genau an die Stelle des US-Dollar treten soll, ist nicht bekannt. Immer wieder wird über eine gemeinsame "BRICS-Währung” spekuliert, die mit Rohstoffen gedeckt sein soll. Ob Gold, oder sogar Bitcoin, dabei enthalten sind, weiß derzeit niemand.
Mining
Was auch dafür spricht, dass China ein doppeltes Spiel hinsichtlich Bitcoin verfolgt, sind auch die Mining-Aktivitäten. Nach Strom-Problemen aufgrund von Trockenheit wurde das energieintensive Geschäft Mitte 2021 verboten und die meisten Bitcoin-Miner mussten das Land verlassen. Viele zogen ins benachbarte Kasachstan, wo Energie ähnlich billig ist. Das führte übrigens dort zu Problemen, die indirekt wohl mit die Unruhen vor einem Jahr verursachten:
By the end of the year, the mining industry was consuming more than 7% of the entire generating capacity of Kazakhstan, a country of 19 million people. The surge tipped the grid over from surplus into deficit. Power shortages led to localized blackouts in parts of the country, exacerbating existing tensions over corruption, nepotism, and the rising cost of fuel. In January 2022, these issues boiled over into mass protests.
Daraufhin schnitt die Regierung in Astana vom kasachischen Stromnetz ab. Und die zogen weiter.
The Bitcoin caravan has moved on—some of it to China, Russia and the US, other parts to new frontiers in Central Asia and Africa.
Mittlerweile wird in China wieder ziemlich viel gemined. Die aktuellsten Zahlen vom Cambrigde Centre for Alternative Finance sind leider schon ein Jahr alt. Aber sie zeigen, dass China mittlerweile wieder Nummer zwei im globalen Mining ist:
Was nun genau hinter dem Vorstoß Hongkongs steckt, sich als Crypto-Hub zu etablieren, ist also noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall scheint China Bitcoin noch nicht ganz abgeschrieben zu haben. Es lohnt sich, ein Auge darauf zu behalten. Die Geschichte zeigt auch, dass über Bitcoin-Verbote nicht mehr verhängt werden können, ohne globale spieltheoretische Aspekte mit einzubeziehen. In Zeiten geopolitischer Spannungen und Blockbildung, nützt jede Partei die Schwächen des anderen.
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