"Die Verordnung hat repressiven Charakter"
Gerade hat die EU die "Kryptowertetransferverordnung", die Bitcoin in Europa schwer treffen wird. Was genau steckt dahinter? Ein Gespräch mit Juristen Markus Büch
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Immer wieder gab es Vorstöße seitens der EU, Bitcoin zu verbieten, oder zumindest einzudämmen. Ein Verbot von Proof-of-Work, also Mining, scheiterte in letzter Minute vor wenigen Wochen. Nun aber ist es ernst geworden: Eine kürzlich beschlossene Kryptowertetransferverordnung (Krypto V) trifft Bitcoin ins Herz.
Durch die Verordnung wird die Übermittlung von Informationen über Auftraggeber und Empfänger bei der Übertragung von Kryptowerten angeordnet, wie dies bei Geldtransfers aufgrund der Verordnung (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1781/2006 (ABl. L 141 vom 5.6.2015, S. 1) (Geldtransferverordnung - GTVO) geregelt ist.
Markus Büch ist Jurist und lehrt derzeit Wirtschaftsrecht an einer Hochschule in Berlin, außerdem arbeitet er seit kurzem bei einer deutschen Krypto-Börse. Bis vor kurzem war er auch Vorstandsmitglied im deutschen Bundesverband Blockchain. Mit BlingBling spricht er über die kürzlich beschlossene Verordnung zur Regulierung des Transfers von Krypto-Assets.
Es gibt ein neues Gesetz oder eine Verordnung, die Bitcoin im Herzen trifft. Worum geht es da?
Vielleicht erstmal zur Beruhigung: Die Verordnung ist noch nicht in Kraft getreten. Was passiert ist: Der Abschluss der ersten Lesung. In zwei Wochen beginnt eine weitere Beratung im Vermittlungsausschuss, zwischen Kommission, Rat und Parlament, die sich darüber abstimmen, wie es weitergehen soll. Dies ist der sogenannte Trilog.
Kern dieser Verordnung ist der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Die EU vertritt die Auffassung, dass Krypto-Währungen sich aufgrund ihrer Anonymität perfekt für kriminelle Machenschaften eignen würden. Dieses Problem soll diese Verordnung auf EU-Ebene klären. Für alle Mitgliedstaaten sollen die gleichen Regulierungsstandards gelten.
Jeder Beteiligter einer Transaktion muss identifizierbar sein, vor allem dann, wenn Transaktionen über Intermediärstrukturen handelt, sprich Börsen, abgewickelt werden. Als besonderer Gimmick ist noch die „Unhosted Wallet“ zu erwähnen. Wenn eine Transaktion auf eine selbstverwaltete Wallet erfolgt, muss der Auftraggeber nachweisen, wem diese gehört. Konkret: Wenn Du mir von Deinem Coinbase-Konto Bitcoin auf meine Wallet schicken möchtest, musst Du gegenüber Coinbase erklären, wem dieses Wallet gehört. Erst wenn meine Identität dort vermerkt ist, darf Coinbase die Transaktion durchführen.
Wenn ich Bitcoin auf Deine Hardware-Wallet schicken will, muss ich nachweisen, wer Du bist?
Ja, wie das genau stattfinden soll, ist noch nicht klar.
Wer will denn wie sicherstellen, wem welche Wallet gehört?
Aus dem Verordnungsentwurf geht das nicht hervor. Dies verwundert im Grunde auch nicht. Viele Aspekte von Bitcoin wie Dezentralität, Zensurresistenz oder auch der „Not your Keys, not your Bitcoin“-Grundsatz wurden von dem einen oder anderen Parlamentarier nicht gesehen. Deren Entscheidung ist sicherlich nur von den FUD-Informationen gespeist, mit denen wir seit über einem Jahr kämpfen: CO2- und Energieverbrauch, Zahlungsmittel für Kriminelle, Schneeballsystem. Im Prinzip aber muss dem Verordnungsentwurf nach jeder Intermediär, der bei einer Bitcoin Transaktionen beteiligt ist, auf Vorrat Daten sammeln und ab einem gewissen Schwellenwert oder bei Vorliegen von Verdachtsmomenten den Behörden die Transaktionsdaten melden.
Muss man dafür nicht erstmal erfassen, wem welche Wallet gehört? Braucht man dafür nicht ein Vermögensregister?
Die EU arbeitet bereits an einem Vermögensregister. Hierzu wurde vor kurzem eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Das Ziel der EU ist ganz klar: im Prinzip soll alles, was an Finanztransaktion in der EU stattfindet, transparent werden.
Was ist, wenn ich von einer Börse zu einer Wallet im Ausland schicken will?
Es dreht sich weniger um die Transaktion per se, als um den Dienst, den Du nutzt. Dieser muss erfassen, an wenn Du das Geld schickst. Wenn es Neuseeland ist, muss die Börse das wissen. Der Verordnungsentwurf sieht hierzu vor, dass Transaktionen aus der EU eher vermieden werden sollen.
Wenn ich versuche, mich in die EU hineinzudenken: Dann sieht man ein Zahlungs-Universum, das sich dem Zugriff staatlicher Institutionen entzieht, und dies muss aus EU Sicht so kontrolliert und reguliert werden wie das normale Bankensystem. Und jetzt gibt es aber die Schwierigkeit, dass es unzählige selbstverwaltete Wallets gibt, und jeder sich jederzeit neue erstellen kann.
Da das Entscheidende des Verordnungsentwurfs ist, dass ein Intermediär im Spiel ist, könnte diese Verordnung auch einen „Back to the Roots“-Effekt haben, weil Bitcoin-Nutzer von den Börsen abwandern und Bitcoin im ursprünglichen Sinne verwenden. Denn Bitcoin-Nutzer können sich nach dem Entwurf auch weiterhin pseudonym Coins übermitteln. Der Zugang zum Bitcoin-Universum wird dann vielleicht schwieriger, aber es könnte wieder einen Peer-to-Peer-Effekt haben, so wie es anfangs mal gedacht war. Mein Problem an der Verordnung ist aber unabhängig davon, dass diese alle pauschal unter Verdacht stellt. Als ob alle Bitcoiner kriminelle Absichten hätten.
Ich kann ja auch mehrere Bankkonten haben, muss mich aber jedes Mal mit Personalausweis dafür registrieren. Prinzipiell sieht doch auch jeder, an wen ich das Geld überweise. Wenn man jetzt das im Krypto-Universum erreichen will, braucht man doch eine Form von Zentralregister: Jeder darf nur maximal fünf Wallets haben und die irgendwo notieren lassen. Wie soll das denn sonst kontrolliert werden?
Deswegen laufen ja auch viele aus dem Krypto-Bereich Sturm. Insbesondere die kleinen Unternehmen und Startups können das nicht gewährleisten. Eine große Bank kann das leisten, die haben etablierte Geldwäscheprozessstrukturen, den sie lediglich erweitern. Man muss aber auch sagen, dass bei Giral-Geld freilich ebenso ein Identifikationsprozess stattfindet, weil die Bank neben den Geldwäschevorschriften auch selbst wissen will, mit wem sie Geschäfte macht. Im Krypto-Bereich begründet man das aber völlig anders, indem man prinzipiell jeden unter Generalverdacht stellt. Es ist also keine Angleichung.
Würde das nicht am Ende zu einer Spaltung der Krypto-Sphäre werden? Wer bei den großen Börsen registriert ist und eine Art Untergrund, die unkontrollierbar handeln?
Das wird sich wohl so entwickeln, wenn die Verordnung so kommt. Und ich befürchte, dass sich daran nichts mehr ändern wird. Wenn man die Historie von Geldwäsche-Gesetzen anschaut, wurde im Lauf der Gesetzgebungsprozesse nie etwas rückgängig gemacht. Ich befürchte auch, dass die Sensibilität auf Seiten der Betroffenen für diese Art von Verordnungen nicht da ist nach dem Motto „Ich habe ja nichts zu verbergen“.
Nochmals kurz zur Erklärung: Eine Blockchain ist ja pseudoanonym. Alle Transaktionen sind prinzipiell für jeden einsehbar - nur kann man sie nicht mit Personen verknüpfen. Eine nicht-anonyme Blockchain ist die totale Überwachung, da ja alles für jeden einsehbar ist.
Richtig. Und genau das sieht man bei den Entscheidern auch so. Dem Staat tropft da der Zahn: jede Finanztransaktion ist transparent. Ich war letztens auch auf einem Panel, wo ein Teilnehmer ganz begeistert meinte: Die Blockchain-Technologie ist ja großartig, endlich können wir alles lückenlos nachvollziehen!
Satoshis Alptraum. Die Leute, die so etwas beschließen - wissen die nicht, was sie tun? Oder ist Dein Eindruck, dass man bewusst mit einer Salami-Taktik immer mehr Richtung Überwachung geht?
Überwachung ist ein Machtsicherungsinstrument für Staaten. Dies wissen wir spätestens seit Edward Snowden. Es geht um Kontrolle über bestimmte Personen, die der bestehenden staatlichen Ordnung gefährlich werden können: Das kann der Terrorist sein, aber es kann auch eine Person mit abweichender Meinung, oder eine einflussreiche Person in den Medien sein. Dass dieses Phänomen auch in der EU auftritt, heißt nicht, dass sich die Union in einen Überwachungsstaat entwickelt. Zumindest nicht bewusst, dazu sind zu viele Personen und Institutionen involviert. Was aber womöglich unbewusst geschieht, ist folgendes: Bei den involvierten Personen geht es um persönlichen Machterhalt. Man möchte weiterhin entscheiden und gestalten und das ist auch ein Motiv, um bestimmte Regeln anzustoßen.
Ein weiterer Aspekt ist, der im Übrigen von einigen Rechtswissenschaftlern schon länger kritisiert wird, ist die Reichweite der „EU-Regulierungswut“. Da geht es um die Frage, ob unser Privatrecht nicht vielleicht schon öffentliches Recht ist, das sich in einem Über-Unter-Ordnungsverhältnis ausdrückt und die Privatautonomie zurückdrängt. Nimm zum Beispiel den Verbraucherschutz: Da wird sehr viel von der EU vorgegeben: Wie sieht der Widerruf aus? Und so weiter.
Die Idee unseres Bürgerlichen Gesetzbuches, das im Jahr 1900 in Kraft trat, war die der Privatautonomie. Das heißt, wir beide legen selbstbestimmt fest, wie wir einen Vertrag schließen wollen und welchen Inhalt dieser haben soll. Uns redet dabei keiner und insbesondere der Staat nicht rein. Mein Eindruck ist, dass die EU mittlerweile weit über das Ziel hinausschießt. Ich würde nicht sagen, dass die EU den Bürger entmündigt, aber ihn ein Stück weit desensibilisiert. Als Verbraucher muss man sich heute um fast nichts mehr kümmern, da der europäische Verbraucherschutz alles regelt. Man verliert dabei aber auch die Fähigkeit, Verantwortung für sein Leben und Handeln zu übernehmen.
Weil alles standardisiert ist?
Ja. Vor diesem Hintergrund würde ich weniger von einem Überwachungsstaat als von einem Nanny-Staat sprechen. Der Staat übernimmt alles für den Bürger und da passt es auch gut, alle Finanztransaktionen zu durchleuchten.
Wie kommt so etwas konkret zustande? Da ist ein Parlamentarier, der sich berufen fühlt, oder auf diesem Ticket Karriere machen will? Welche Kräfte wirken bei einer solchen Vorschrift?
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