"Die Menschen verstehen es sofort"
Anita Posch bringt Bitcoin Menschen in Schwellenländern näher. Dort leuchtet der Nutzen von zensurresistenten, knappem Geld den Menschen viel schneller ein als im Westen.
Anita Posch hat ihre Bestimmung gefunden: Die gebürtige Österreicherin reist durch Afrika, um den Menschen dort Bitcoin näher zu bringen. In Diktaturen und Staaten wie Zimbabwe, die von Hyperinflation geprägt sind, ist zensurresistentes, knappes Geld wichtiger denn je.
Du warst gerade viel den afrikanischen Ländern Zimbabwe, Sambia und Südafrika unterwegs. Wie wird Bitcoin dort wahrgenommen?
Als Scam. Leider. Bei meinen Veranstaltungen kommen ständig Leute und Journalisten zu mir, die mich fragen: Ist Bitcoin nicht ein Scam? Fast jeder dort kennt jemanden, der gescamt wurde. Oft höre ich die Frage: Wie kann man Bitcoin beitreten? Ich antworte dann immer, dass man das so nicht tun kann. Aber es gibt eben leider sehr viele Betrugsmaschen, die Leute dazu auffordern, Bitcoin beizutreten und am besten noch ihre Verwandtschaft mitzubringen. Das passiert natürlich nicht nur mit Bitcoin, sondern genauso in den jeweiligen Fiat-Währungen und vor allem mit Shitcoins. Leider ist der Bildungsgrad dort im Durchschnitt geringer. Hinzu kommt, dass Armut natürlich auch dazu beiträgt. Wenn ich nichts habe, bin ich schneller dabei, jemanden zu glauben, der mir eine Verdopplung innerhalb weniger Tage verspricht. Allerdings gibt es auch eine große Offenheit. Wenn man jemanden erklärt, dass man Geld über Grenzen senden kann, finden das schon sehr viele interessant.
Wie unterschieden sich die Probleme der Leute dort von denen hier im Westen?
Natürlich sind die Staaten auch divers. Nicht alle Probleme sind gleich. Grundsätzlich ist Inflation viel höher als bei uns, auch wenn es bei uns gerade steigt. In Zambia liegt die Inflation bei 25 Prozent, Zimbabwe ist in der Hyperinflation mit 400 Prozent.


Hinzu kommt, dass die Banken nicht so gut funktionieren wie bei uns. Die Wartezeiten sind lange, vieles funktioniert. In Zimbabwe gibt es teilweise einfach keine Geldscheine mehr. Jeder will lieber US-Dollar haben, weil der im Vergleich zur Landeswährung relativ stabil ist. Hinzu kommt ein großes Ausmaß an Bürokratie und Korruption, Menschenrechtsverletzungen und die Verfolgungen von Oppositionellen. Fast jedes Interview, das ich dort geführt habe, beginnt mit der Bitte, nicht über die Regierung zu sprechen. Außerdem gibt es oft Kapitalverkehrskontrollen. Das heißt, man kann nicht einfach Geld ins Ausland überweisen. Oft werde ich gefragt: Es gibt doch Empesa und ecocash wozu noch Bitcoin? Aber Auslandsüberweisungen funktionieren damit nicht. Das ist aber für viele sehr wichtig, die Verwandte im Ausland haben. In Südafrika zum Beispiel leben zwei Millionen Menschen aus Zimbabwe, die Geld zu ihren Verwandten schicken wollen. Das geht aber nicht.
Die Regierung in Zimbabwe hat oft eingegriffen zum Beispiel auf die Auszahlungsmenge oder Zugangsbeschränkungen. Zimbabwe ist eine Kleptokratie, wo Geld geklaut wird und dann von denselben Leuten neues gedruckt wird. Mit Bitcoin ist das eben nicht möglich.


Verstehen die Leute dort schneller den Nutzen von Bitcoin?
Auf jeden Fall. Wenn ich sage: Bitcoin ist zensurresistent, die Regierung kann es nicht konfiszieren und dass es langfristig auch wertstabil ist, klickt das sofort bei den Menschen. Natürlich kann es auch im Wert fallen, so wie jetzt gerade. Deswegen empfehle ich den Leuten, Geld in Bitcoin langfristig zu sparen. Ich verspreche niemanden Gewinne. Wenn die Leute verstehen, dass dies eine offene Technologie ist, für die man nicht mal einen Ausweis braucht, wollen die Leute das sofort nutzen.
Sind Scams ein größeres Problem dort?
Ich glaube ja. Zum einen ist das Bildungsangebot geringer, zum anderen haben die Leute weniger Möglichkeiten, sich an vertrauenswürdige Stellen zu wenden und nachzufragen. Hinzu kommt: Die Leute haben oft einfach sehr wenig und versuchen, irgendwie an Geld zu kommen. Das begünstigt natürlich Kriminalität. Letztlich gibt es all das im Westen natürlich auch.
“Banking the Unbanked” ist ein Bitcoin-Schlachtruf. Haben tatsächlich so viele Leute kein Bankkonto?
Ja, auf jeden Fall. Die Leute haben entweder kein Bankkonto, weil sie keinen Identitätsnachweis haben, oder zu weit weg wohnen. Oder weil sie aufgrund ihrer geringen Mittel für Banken einfach uninteressant sind. Ich sag ja: „Keep The unbanked unbanked.“ Ich glaube, es nützt nichts, das alte System nachzubauen. Bitcoin ist ein offenes, neutrales Geldsystem, das wie digitales Bargeld funktioniert. Ich möchte nicht, dass Milliarden in dieses Überwachungssystem kommen.
Also „be your own bank“.
Ja, genau. Jeder ist seine eigene Bank.
BlingBling ist unabhängiger, alternativer Finanz-Journalismus, werbe- und ideologiefrei. Davon gibt es nicht viele!
Ich arbeite mit viel Leidenschaft an BlingBling. Aber natürlich kostet das auch Zeit und Energie. Die meisten Artikel sind deshalb nur für bezahlte Abos. Vollen Zugriff bekommt man schon für 7 Euro im Monat. Im Jahresabo kann man sogar noch etwas sparen. Und ein Founding Abo bringt super Karma noch dazu.
Alternativ kannst Du BlingBling natürlich auch mit Bitcoin unterstützen, und mir kurz mitteilen, dass Du Dein Abo mit Sats bezahlst. Ich schalte Dich dann umgehend frei.
Alternativ kannst Du BlingBling natürlich auch mit Bitcoin unterstützen:
https://ln.bitcoinbeach.com/BlingBling
Was machst Du auf Deinen Reisen? Wie gehst du vor?
Das ist unterschiedlich. Nach Zimbabwe bin ich zum ersten Mal im Februar 2020 geflogen und habe dort einen Workshop initiiert. Ich war so ziemlich die erste, die sich angeschaut hat, ob und wie Bitcoin funktioniert in solchen Ländern. Dann kam die Pandemie. Später wollte ich schauen, wie sich das entwickelt hat. Meine Intention ist es, nachhaltige Strukturen zu schauen. Ich möchte, dass sich eine Community entwickelt und wächst. Als ich in Harare, der Hauptstadt, gesprochen habe, kam ein Mann aus einer sechs Stunden entfernten Stadt zu mir und sagte, er sei froh, dass dies hier stattfindet. Er dachte, er sei der einzige, den sowas interessiert. Aus den ersten 50 Leuten entstand dann eine Bitcoin-Whatsapp-Gruppe.




Es gibt ja viele solcher „Crypto-Gruppen“, aber da geht’s um Trading und um Shitcoins. Ich möchte die Leute vernetzen und ihnen eine Infrastruktur zur Verfügung stellen. Zum Beispiel haben die Leute einfach kein Geld für eine Hardware-Wallet für 50 USD. Sowas bringe ich gern mit.
In Zambia war es anders, da lud mich jemand zu einem Vortrag an der Universität von Lusaka ein, und organisierten einen Lightning-Workshop. Außerdem haben sie mir Medien-Termine organisiert. Die Leute haben mich immer wieder mit großen Augen angeschaut, wenn sie erfahren haben, was Bitcoin wirklich ist. Viele sind gescamt worden mit Shitcoins und ähnlichen Sachen.
Es gab kürzlich die Meldung, wonach die Zentralafrikanische Republik dem Beispiel von El Salvador folgen will, und Bitcoin zur offiziellen Währung erklären will. Wie reagieren Regierungen in Afrika auf Bitcoin?
Viele wissen nicht viel davon. In Zimbabwe ist Bitcoin mehr oder weniger verboten. Da hört man die üblichen Phrasen „Blockchain finden wir gut, aber Bitcoin wollen wir nicht.“ Dort ist alles sehr privat und im Untergrund. Die Leute dort haben Angst zu sprechen.
In Zambia ist die Situation ein bisschen besser. Was in der ZAR passiert, beobachte ich skeptisch. Grundsätzlich ist die Idee ja genial: Länder, die viel Sonne und Wasser haben, die Bitcoin minen und so reich werden. Aber kürzlich las ich dann wieder, dass man natürliche Ressourcen tokenisieren will, und ich denke mir: Bitte nicht. Zudem kommt: Das ist eines der ärmsten Länder der Welt und es wird wahrscheinlich von oben oktroyiert werden.


Apropos - bald ist die Einführung von Bitcoin als offizielle Währung in El Salvador ein Jahr her. Wie siehst Du das jetzt mit etwas zeitlichem Abstand?
Grundsätzlich finde ich es gut - aber nicht uneingeschränkt. Dort hat man den Bürgern eine staatliche Wallet gegeben, von der man nicht genau weiß, was dahinter steckt und wer die Keys eigentlich hat. Die Idee von Bitcoin City konnte ich nie ganz glauben, und ich habe auch immer kritisiert, dass man den Präsidenten Nayib Bukele über den Klee lobt. Dort passieren massive Menschenrechtsverletzungen, die man nicht schön reden kann. Bitcoin ist eine Graswurzel-Bewegung. Wenn eine Regierung das Prinzip von Bitcoin in Schulen unterrichten lässt und erklärt, wie Open-Source-Wallets funktionieren, dann finde ich das großartig. Die Art und Weise, wie das in El Salvador geschah, war aber nicht so. Das stört mich manchmal, wenn Leute die Politik Bukeles um jeden Preis verteidigen, nur weil es gut für den Kurs ist.
Was stört Dich an der Diskussion im Westen über Bitcoin? Verkennen wir viele Probleme?
Dass Bitcoin nur digitales Gold ist, halte ich für einseitig. Es ist eben auch Zahlungsmittel und in solchen Ländern wichtig. Ich freue mich darüber, dass mehr Leute der Meinung sind, Wirtschaftskreisläufe mit Bitcoin voranzutreiben. Bitcoin ist Geld und Geld soll genutzt werden. Wie soll die Bitcoin-Adoption vorankommen, wenn wir alle nur horten? Natürlich habe ich auch Bitcoin-Ersparnisse, weil auch ich von einer Wertsteigerung ausgehe. Ich versuche Bitcoin aber auch zu nutzen. Und je mehr wir das tun, desto mehr Leute werden es annehmen wollen. Wer wirkliche Bitcoin-Adoption will, nutzt es. Oft geht es mir zu viel um den Preis. Gleichzeitig ist auch vieles an der Kritik völlig falsch und zeigt, dass die Leute nicht über ihren Tellerrand blicken können.
Wie sehen Deine Pläne aus? Willst Du noch weitere Länder besuchen?
Für dieses Jahr ist sehr konkret. Im September bin ich auf der Honeybadger-Konferenz in Riga, wo ich einen Vortrag über die Rolle von Bitcoin für Menschenrechte halten werde. Anschließend spreche ich Bitcoin22-Konferenz in Innsbruck Mitte September. Anschließend bin ich wieder in Zimbabwe und dort die erste Mining-Anlage in Betrieb genommen wird. Ich arbeite gerade daran, dass wir dafür einen Blockstream-Satelliten bekommen, da das Internet von der Regierung sehr stark reguliert wird. Anschließend bin ich entweder in den USA oder in Brasilien, wo mein Buch herauskommt. Von dort geht es nach Argentinien und im Dezember nach Ghana auf die erste Bitcoin-Only-Konferenz in Afrika. Schließlich bin ich noch in Nigeria und dann in Südafrika, wo ich Urlaub machen möchte. Was danach kommt, weiß ich noch nicht. Ein bisschen hängt es auch davon ab, wie viel Spenden ich für „Bitcoin for Fairness“ bekomme.
Was ist das für ein Projekt?
Das ist eine Non-Profit-Initiative, um Bitcoin-Bildung in Schwellenländern voranzubringen. Das Schöne ist, dass sich immer wieder Leute bei mir melden, die mitmachen möchten. Und so wächst das Projekt von Leuten, die Meetups organisieren, Websiten bauen, Video-Clips produzieren. Es geht um eine Vernetzung von afrikanischen und westlichen Bitcoinern.
Kannst Du selbst von Bitcoin leben?
Ja, ich verdiene ausschließlich Bitcoin und zahle damit alle meine laufenden Kosten. Das ist zwar gerade etwas unangenehm. Aber da muss man durch. Das ist jetzt mein zweiter Bärenmarkt, und ich werde ihn auch überleben.