Die Jäger
Drei Leute haben es sich zur Aufgabe gemacht, Tether hinterherzujagen. Ein Gespräch mit Cas Piancey über Bitcoin, die China-Connection und amerikanische Regulatoren.
Bitcoin: 32426$
Willkommen zur 32. Ausgabe von BlingBling,
BlingBling ist ins Tether-Rabbit-Hole gefallen. Für eine größere Recherche zu dem Thema habe ich unter anderem mit den Tether-Jägern Cas Piancey, Benett Tomlin und Bitfinex’ed gesprochen. Die heutige Ausgabe ist ein Interview mit Cas Piancey.


BlingBling hat vergangene Woche auch mit Tether gesprochen. Eigentlich war ich von einem zitierfähigen Interview ausgegangen. Mir wurde dann aber gesagt, dass vorerst nur ein Hintergrundgespräch möglich sei. An die Abmachung halte ich mich - aber ich kann so viel sagen: Der Inhalt des Gesprächs hat nicht dazu beigetragen, Vertrauen zu schaffen. Ich warte jetzt auf die schriftliche Beantwortung meiner Fragen.
Die Tether-Problematik ist komplex. Wer sich etwas einlesen möchte, empfehle ich die BlingBling-Ausgabe “Besuch der alten Dame”, in der die Situation versinnbildlicht dargestellt wird. Piancey und Tomlin erklären auch viel in ihrem Podcast Crypto-Critics.

Und wer zu faul dafür ist:
Die Ausgangslage: Tether ist ein Stablecoin. 1 Tether (USDT) ist immer 1 Dollar (USD) wert. Das geht, weil hinter jedem USDT auch ein USD steckt. Mittlerweile sind 60 Milliarden USDT im Umlauf.
Der Vorwurf: Tether hat viel mehr USDT ausgegeben, als es USD eingenommen hat. Damit hat das Unternehmen den Kurs von Bitcoin künstlich erhöht.
Die Gefahr: Sind die Vorwürfe korrekt, würde das den gesamten Krypto-Markt einbrechen lassen. Es wäre der größte Finanzbetrug der Geschichte.
Die Lösung: Tether kann nachweisen, dass es genug Reserven hat.
Cas Piancey ist ein Pseudonym. Cas sagt, es komme von seinem geographischen Interesse für das Kaspische Meer (Caspian Sea). Piancey ist etwa Mitte 30, scheint in Kalifornien zu leben und raucht gern selbst gedrehte Zigaretten.
Wie kam es überhaupt zu Deinem Interesse an Tether?
Mein Mitbewohner fiel 2017 Ethereum-Rabbit-Hole und steckte mich damit an. Bitcoin faszinierte mich allerdings schnell viel mehr. Ich investierte im Sommer 2017 etwas - keine große Summe. Auf Tether stieß ich im November 2017 und wunderte mich, wie es überhaupt möglich ist, einen Coin so stabil zu halten. Ein Freund lud mich zu dieser Zeit nach Hongkong ein und dort wollte ich mir das Headquarter von Bitfinex einmal anschauen. Da war aber so gut wie nichts. Ich las mich in historische Betrugsfälle ein und stieß auf die Arbeit von Bitfinex’ed. Und je mehr ich erfuhr, desto mehr begriff ich Tether als systemisches Risiko. Im Februar 2018 verkaufte ich alle meine Cryptos und besitze seitdem auch keine mehr.



Es war dann einige Zeit ruhig um Tether. Seit wann und warum hat diese Geschichte wieder an Fahrt aufgenommen?
Das war nach der Vereinbarung mit der New Yorker Staatsanwaltschaft im März dieses Jahres. Anschließend veröffentlichte Tether ja einen Bericht über seine Vermögensbestände, der mehr Fragen aufwarf, als er beantwortete.
Der Bitcoin-Kurs stagniert, Tether hat seit Wochen keine neuen Coins gedruckt. All das fällt mit dem Bitcoin-Verbot in China zusammen. Ist das Zufall oder gibt es einen Zusammenhang?
China war einer der wichtigsten Märkte für Tether: so konnten chinesische Unternehmen Geld ins Ausland bringen. (In China gelten strikte Kapitalverkehrskontrollen. Pro Jahr darf ein Bürger maximal 50.000 US-Dollar ins Ausland transferieren - Anm. von BlingBling). Zhao Dong war in diesem Zusammenhang wichtig. Er war der OTC-King - und wurde im Ende vergangenen Jahres verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
Bitfinex’ed vermutet, hinter den Commercial Papers Schuldverschreibungen chinesischer Unternehmen.
Leitet also China das Ende der Tether-Geschichte ein?
Nein, das haben die Regulatoren in den USA in der Hand. Die bewegen sich langsam und sind fast immer zu spät dran. Auch die Skandale von Enron 2001 und Bernie-Maddoff 2009 wurden erst vollständig aufgeklärt, als die Ponzi-Schemes schon geplatzt waren.
Was könnte Tether tun, um die Vorwürfe zu entkräften?
Sie könnten sich endlich einer Wirtschaftsprüfung unterziehen lassen.
Oft wird seitens Tether behauptet, das sei gar nicht so einfach. Schließlich fließen ja ständig Milliarden hin und her. Die “Big Four” (KPMG, Deloitte, EY und Pwc) wollen das deswegen gar nicht erst anfassen.
Ich habe mit Wirtschaftsprüfern gesprochen. So schwer ist das nicht. Durch die Verschleierungstaktik sind noch mehr Fragen aufgetaucht. Jetzt behaupten sie ja wieder, es gebe bald eine richtige Prüfung.
Wo halten sich die Tether-Köpfe auf?
Paolo Ardoino ist irgendwo in Europa. Ihn zu verhaften dürfte nicht schwierig sein. Jan Ludovicus van der Velde lebt in Hongkong auf der Insel Lantau. Vielleicht ist er aber auch schon nicht mehr dort. Tatsache aber ist: Wenn die amerikanischen Behörden jemanden suchen, kriegen sie ihn auch früher oder später.
Warum wird Kritik an Tether so oft als Kritik an Bitcoin missverstanden?
Weil viele in der Szene keinen Anreiz haben, den Betrug aufzudecken. Peter McCormack zum Beispiel ist von Kraken gesponsort, die erste Börse, die Tether im großen Stil handelte. Außerdem zahlte Kraken seine Prozesskosten gegen den Craig S. Wright. Blockstream von Adam Back wiederum ist ein großer Investor in Tether.
Viele Leute wollen schlechte Nachrichten auch nicht hören. Deshalb wird es als FUD (Fear, Uncertainty & Doubt) abgetan. Das ist nicht einzigartig in der Crypto-Community. Äußere mal in einem Tesla-Forum Zweifel an der Zukunft des Autonomen Fahren - da erhältst Du ähnliche Reaktionen. Ich muss auch immer wieder betonen: Benett und ich sind nicht Anti-Bitcoin - im Gegenteil. Wir glauben auch nicht, das Bitcoin ein Ponzi-Scheme ist. Mit Tether aber ist etwas faul.
Deine Detektivarbeit ist mindestens ein Halbtagsjob. Was ist Dein Anreiz, so viel Zeit damit zu verbringen?
Anfangs sah ich mich als eine Art „Anlegerschützer“. Das klingt wie ein hehres Ziel, und ich musste auch feststellen, dass das nicht so leicht ist. Viele Leute in der Crypto-Community wollen das einfach nicht hören. Mittlerweile glaube ich, dass andere Leute das besser können. Einige Journalisten der Financial Times haben die Fährte aufgenommen. Bennet und ich arbeiten aber weiter an unserem Buch.
Du arbeitest eng mit Benett Tomlin zusammen. Wie kam es dazu?
Wir sind beide in dasselbe Rabbit-Hole gefallen und haben uns auf Twitter kennengelernt. Daraus wurden dann wöchentliche Telefongespräche und ein Buchprojekt.

Wann wird das erscheinen?
Das wissen wir noch nicht - es hängt davon ab, wann und wie diese Geschichte endet.
Wie könnte sie enden?
Ich sehe zwei Szenarien. Sollten die Behörden aus regulatorischen Gründen gegen Tether vorgehen, könnten sie alle Tether einfrieren, die zum Beispiel auf amerikanischen Börsen wie Coinbase gehandelt werden.. In diesem Fall gäbe es einen massiven Liquiditätsschock. Die Kurse aller Kryptowährungen würden kollabieren. Die andere Möglichkeit ist ein „Bank Run“, weil die Leute das Vertrauen in Tether verlieren und ihre USDT loswerden wollen.
Manche Leute sind der Meinung, für Bitcoin wäre das gar nicht schlecht. Weil Leute ihre USDT in BTC umtauschen wollen, würde der Preis sogar steigen.
In diesem Fall würde Bitcoin tatsächlich kurz im Preis steigen. Auf Börsen, wo USDT gehandelt wird, würde ein Premium entstehen. Wir sahen so etwas schon einmal im Oktober 2018. Innerhalb kurzer Zeit aber würden die Leute auch in Fiat flüchten. Wenn Tether implodiert, wäre das für alle schlecht. Das muss nicht heißen, dass Bitcoin auf Null fällt. Aber die Turbulenzen wären enorm.
Was ist Dein Rat für den Fall, dass es tatsächlich so kommt?
Lass Deine Coins nicht auf einer Börse - das ist ja eine Binse. Wenn Tether implodiert, wird es Probleme geben, an seine Coins zu kommen. Wir haben das auch schon öfter erlebt. Plötzlich ist dann von Hacks und technischen Problemen die Rede.
Und es gibt noch eine dritte Möglichkeit: Es kommt zu einem Audit, Tether kann nachweisen, dass alles gedeckt sind, und alle sind glücklich.

Ein schönes Wochenende!
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