"Die Inflation wird weiter steigen"
Investoren-Legende Marc Faber über den aktuellen Crash, Gold, Zinsen und Russland.
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Marc Faber ist eine Investoren-Legende. Nachdem er in den 60er und 70er Jahren in Hongkong als Börsenhändler gearbeitet hatte, machte er sich später selbstständig. Er wurde als “Dr. Doom” bekannt, weil er mehrere große Crashs vorhergesagt hatte. Seitdem ist er im Dauer-Crash-Modus, und liegt nicht zuletzt deswegen gerade wieder mal richtig. Marc Faber ist außerdem Herausgeber des Reports “Gloom Boom & Doom”, sowie häufiger Markt-Kommentator und Sprecher.
Marc Faber lebt im Norden Thailands, in einer selbst entworfenen Fantasie-Villa, die vor allem durch einen eklektizistischen Stil und zahlreiche Mao-Memorabilien geprägt ist. Faber ist bekennender Libertärer, sowie leidenschaftlicher Alkohol-Trinker und Raucher.
In den vergangenen Tagen kam es zu einem breiten Abverkauf über den gesamten Markt hinweg: Crypto, Tech-Aktien, aber auch andere Märkte. Vieles erinnert an das Platzen der Dotcom-Blase 2001. Ist das ein Crash historischen Ausmaß?
Ich vergleiche es lieber mit 70ern. Damals stieg die Inflation erst sehr langsam und dann schneller am Ende der Dekade. Ich glaube, dass gleichzeitig eine Deflation von Vermögenswerten kommen wird. Aber Güter, die lebensnotwendig sind, Brot, Butter, Eier, werden nicht fallen. Die Zinsen haben sich in der Wirtschaftsgeschichte immer in ganz langen Zyklen bewegt, die an die 50 Jahre dauern können. Ich glaube, dass wir die Zinsen von 2020 nie wieder sehen werden in unserem Leben. 1981 war der Höchstwert und 2020 ein Tiefstwert - dann steigen diese jetzt in den kommenden 30 Jahren. Mit Unterbrechungen natürlich. Aber die Tendenz ist nun steigend.
Russland ist der größte Rohstoffproduzent der Welt. Weil diese Güter jetzt fehlen, steigen die Preise. Zumindest sagt das EZB-Präsidentin Christine Lagarde…
Zuerst hat Lagarde verneint, dass es Inflation gebe, dann behauptet, sie sei nun vorübergehend. Ja, alles im Leben ist temporär und geht vorüber. Bleiben wir bei den Tatsachen: Was soll schon passieren, wenn die Inflation zwischen sieben und zwölf Prozent liegt und die Zinsen bei Null? Milton Friedman hat schon lange klar gemacht, dass die Inflation steigt, wenn man die Geldmenge aufbläht. Als wir in den 70ern die heutigen Inflationsraten hatten, war der Leitzins bei zwölf Prozent. Die Inflation wird weiter steigen.
Ausgabe 42: “Bier und Zigaretten sind noch nie billiger geworden!” Marc Faber im Interview mit BlingBling im vergangenen Oktober
Ausgabe 72: Schocktherapie Reloaded Paul Volcker löste Anfang der 80er mit radikalen Zinserhöhungen eine Rezession aus.
Der Anstieg der Rohstoffpreise fließt natürlich später in andere Preise wie Löhne und Dienstleistungen. Fakt ist ja auch, dass aufgrund der demographischen Entwicklung, die Zahl der Erwerbstätigen sinkt. Auch deswegen werden die Löhne steigen, und damit die Inflation. Das führt dazu, dass weite Bevölkerungsteile verarmen.
Wie lange können die Zentralbanken die Politik der Zinserhöhungen durchhalten?
Man warf Arthur Burns in den 70ern vor, die Zinsen nicht genügend angehoben zu haben. Auch Alan Greenspan wirft man eine expansive Geldpolitik vor. Aber immerhin erhöhte er die Leitzinsen auf sechs Prozent. Und heute? Bei der Staatsverschuldung ist es kaum möglich, die Zinsen mehr als drei oder vier Prozent anzuheben. Das Problem ist der Markt für Obligationen (Staatsanleihen). In Japan kauft die Zentralbank die Staatsanleihen auf. So kann man den Markt stabilisieren. Dafür aber fällt die Währung.



Was wäre der Ausweg?
Angenommen, ein Arzt sagt Ihnen: Ich gebe ihnen Schmerzmittel, damit können sie lange leben, aber nicht gesund werden - oder wir machen jetzt eine Operation, aber dann können Sie drei Wochen nicht arbeiten. Wie entscheiden Sie? Das ist heute die Frage. Wollen wir weiter einen Staat haben, der mehr ausgibt, als er einnimmt und eine expansive Geldpolitik betreibt? Oder wollen wir jetzt eine harte Zeit durchmachen und alles auf stabile Füße stellen?
Die Leute werden irgendwann aufwachen und merken, was für ein Unheil diese Geldpolitik angerichtet hat. Nicht der freie Markt hat diese Probleme geschaffen, sondern die Regierungen. Jetzt schiebt man alles auf Putin. Er ist der willkommene Sündenbock wie Corona. Ich habe keine Sympathie für Trump, aber immerhin versuchte er eine Politik mit weniger Regulierungen und Gesetzen.
Was macht man als Anleger?
Diversifizieren. Ich würde den Aktienanteil nicht so hoch halten. Die Börsen sind zwar schon weit gefallen, aber die Bewertungen sind noch immer sehr hoch. In Großbritannien hatten sie die brillante Idee, Mehrwertsteuer auf Energiefirmen einzuführen. Hirnverbrannt. Man sollte eine Steuer auf Regierungsbeamte einführen.
Schwellenländer sind dagegen eher tief bewertet, vor allem Südamerika und Asien, insbesondere China. Dort sind die Börsen zwar gefallen, aber die demographischen Bedingungen sind langfristig besser. In Hongkong zum Beispiel könnte man gerade beste Unternehmen kaufen. Der Verschuldungsgrad ist selten höher als 30 Prozent. Immobilienfirmen sind sehr solide und gut geführt. Deren Bewertung liegt oft bei 50 Prozent des Immobilienwerts. Allgemein gibt es in Asien viele tief bewertete Unternehmen, die eine Dividendenrendite von fünf Prozent haben. Das ist mir lieber als Negativzinsen auf einer Schweizer Bank.
Gold gilt seit Jahrhunderten als Alternative, aber trotz eines Krieges hat sich der Preis kaum bewegt. Wir sahen kurz mal ein Sprung über die 2000 und jetzt krebsen wir wieder bei 1850 herum.
Der Euro ist derzeit überverkauft. Aber angesichts der politischen Lage sehe ich hier wenig Potenzial. Die EU ist ein fragiles Konstrukt und der Euro eine Währung, die schnell auseinander brechen kann. Ein Anleger wird sich denken: Gold ist eine relativ stabile Währung, auch wenn sich der Preis schlecht entwickelt hat, insbesondere die Goldminen-Aktien. Andererseits hat sich Gold viel besser gehalten als der S&P, DAX und andere Werte. Man sollte schon Gold haben. Aber man muss sich eines fragen: Wenn die Regierungen uns während der Covid-Krise einschließen konnten und uns zu höchst fragwürdigen Impfungen zwingen konnten, dann können sie auch unser Gold wegnehmen. Aktien sind vielleicht etwas sicherer, weil viele davon im Besitz öffentlicher Pensionskassen sind. Die müsste man ja verstaatlichen. Aber das ist möglich.


Gold- und Silberminen haben trotz eines Rohstoff-Boom enttäuscht. Warum?
Ich weiß es nicht ganz genau, aber ich kann mir vorstellen, dass es einerseits mit den Kosten in Form von höheren Energiepreisen zu tun hat, andererseits auch mit dem Management. Da haben manche wohl ihre Reserven überschätzt. Sie werden wieder steigen. Im Jahr 2000 hatten wir eine Anlage-Blase bei Tech- und Internet-Unternehmen. Gold-Aktien waren dagegen sehr günstig. Die sind heute vielleicht nicht ganz so billig wie damals, aber immer noch viel billiger als Tech-Werte.
Wer wirklich Bedenken gegenüber unserem Geldsystem hat wie ich, kauft physisch Gold. Der Preis kann einem egal sein. Ich habe keine Absicht, meine Goldbarren wieder zu verkaufen. Das ist meine Versicherung. Goldminen-Aktien halte ich auch, aber als Spekulant. Platin und Silber sind da wahrscheinlich attraktiver.
Silber ist ein anstrengender Markt. Seit Jahren sprechen Analysten davon, dass Silber viel zu billig sei. Aber nichts passiert.
Das ist das Verrückte in der Anlage-Welt. Man kann das beste Dossier recherchiert haben und es passiert einfach nichts. Man muss Geduld haben. Wir hatten in den vergangenen Jahrzehnten eine ungewöhnlich gute Zeit für Vermögenswerte, weil wir niedrige Zinsen hatten und viel Geld gedruckt hatten. Das war nicht immer so: Zwischen 1964 und 1982 sind Aktien in Europa nominal nicht gestiegen und inflationsbereinigt sogar gefallen. Damals war das eine Scheißzeit für Aktien, nicht aber für Rohstoffe. Das kann wieder kommen.
Als wir das letzte Mal im Herbst sprachen, meintest Du, als nächstes würde ein Krieg kommen. Den haben wir jetzt. Hat Dich das überrascht, dass er in der Ukraine stattfindet?
Weder unterstütze ich die Invasion der Ukraine, noch bewundere ich Putin. Aber es war doch von Anfang an klar, dass es um einen Regime-Wechsel geht.
Die westliche Welt geführt von den Vereinigten Staaten wollte einen Krieg mit Russland. Man hat ihm eine Falle gestellt, und die ist er getappt. Aber die Eliminierung eines gut bewaffneten Mannes ist nun mal sehr kostspielig. Die Europäer haben eine eigene Politik längst aufgegeben, und schicken jetzt Waffen in eines der korruptesten und ärmsten Länder der Welt.
Nie zuvor wurde der Dollar so sehr als Waffe eingesetzt. Schadet oder nützt das dem US-Dollar als Leitwährung?
Die Amerikaner sagen, der Krieg gegen Russland hätte die NATO gestärkt, man sei selten so einig gewesen. Das stimmt nicht. Es gibt viele Kritiker in Europa. Wenn die USA behauptet, die ganze Welt hätte Sanktionen gegen Putin verhängt, dann ist das Blödsinn. Über 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Staaten, die keine Sanktionen verhängt haben, weil sie mit der Politik der Amerikaner nicht einverstanden sind. In Indien und China ist man sehr kritisch gegenüber den USA.

Diese Staaten kaufen auch weiter russisches Öl
Nicht weil sie Putin bewundern, sondern weil sie die doppelten Standards leid sind. Die Amerikaner haben das Vermögen von Oligarchen beschlagnahmt. Jedes Land und jeder Reiche weiß nun: Das kann auch mir passieren. “Oligarch” ist negativ assoziiertes Wort. Dabei bedeutet es nichts anderes als „Superreicher“ - und von denen gibt es auch in den USA und überall auf der Welt etliche. Wenn ich ein Milliardär wäre, würde ich mich fragen, wo mein Vermögen sicher ist, und ob man diesem Währungssystem noch trauen kann. Für Russland ist all das kein Problem - sie können ihre Rohstoffe für Rubel verkaufen. Während der Euro um sechs Prozent gefallen ist, stieg der Rubel im selben Zeitraum um 20 Prozent. Der Rest der Welt sagt sich doch: Wir brauchen eine Alternative zum Dollar-System. Langfristig wird das einen sehr negativen Einfluss auf die USA haben. In vielen Teilen der Welt, gerade im Nahen Osten hegt man ein großes Misstrauen.
Ich glaube nicht, dass Putin eine Gefahr für die Menschheit ist. Viel gefährlicher ist, wenn Menschen keine Verantwortung mehr übernehmen wollen und alles auf den Staat schieben. Wenn die Mieten steigen, sollen Preiskontrollen eingeführt werden. Wenn es regnet, soll der Staat das Wetter ändern. Im 19. Jahrhundert betrugen die Ausgaben der Zentralregierung drei Prozent des Bruttosozialprodukts. 1913 waren die Staatsausgaben nirgends höher als 13 Prozent des BIP, die Sozialversicherung in Deutschland einmal ausgenommen. Seitdem ist der Staat gewachsen wie ein Krebs. Und das hat das Wirtschaftswachstum verlangsamt.
Wie geht es in Europa weiter ohne russisches Gas? Gibt es ein Comeback der Atomenergie?
Dass Leute die Umwelt schützen wollen, verstehe ich sehr gut. Diese Diskussion kenne ich aus der Schweiz seit den 60ern. Aber man muss sich schon fragen: Ohne Gas und Öl von Russland - wie soll das ersetzt werden? Mit Windmühlen? Die können Sie überall bauen und es wird nicht ausreichen. Windkraftwerke sind sehr teuer und vieles davon lässt sich nicht recyceln. Natürlich kann man all das machen, die Frage ist dann nur: Wie viel kostet das? Wenn die Bevölkerung bereit ist, das zu bezahlen - ja, dann können wir in das 14. Jahrhundert zurück und unseren Lebensstandard abbauen. Der Körper kann sich an Hitze und Kälte gewöhnen. Ich brauche keine Heizung im Winter. Mein Haus ist so gebaut, dass die warme Luft nach oben zieht. Das wird natürlich gelüftet - mit Zigarettenrauch.
Wenn die Politik weiterhin die Förderung von Öl und Gas erschwert, dann werden wir eine Energieknappheit spüren. Biden hat zum Beispiel den Bau der Keystone-Pipeline abgesagt. Die hätte 800000 Barrel am Tag transportiert. Dann wundert man sich, wenn die Preise steigen. Die Knappheit besteht aufgrund dieser Politik.

Wir leben in Zeiten, in denen viele Leute unehrlich sind. Da würde ich Anleger warnen, dass bei Krypto-Währungen und Meme-Stocks noch mehr kommt. Die Behörden machen nix - die schützen nicht den kleinen Anleger, sondern die großen Banken. Ich würde allen empfehlen zu diversifizieren, und auch nicht alles Geld im selben Land zu halten - insbesondere wenn es sich um die EU und die USA handelt. Ich lebe im Norden von Thailand, deswegen habe ich hier Finanzreserven. Wenn es einmal richtig schlecht kommt, funktioniert das Internet nicht, und es gibt Kapitalverkehrskontrollen. Das war in jedem Krieg so.
Was soll ein normaler Anleger in der Eu denn tun? Welches Land wäre denn gut?
Die erste Diversifikation, die erste Anlage, wäre eine Immobilie auf dem Land. Gerade bei den Covid-Beschränkungen haben wir gesehen, dass es einfacher ist, eine Stadt zu kontrollieren. Ein kleine Fläche auf dem Land in der Nähe von Wasser reicht.
"Da würde ich Anleger warnen, dass bei Krypto-Währungen und Meme-Stocks noch mehr kommt." Zu dem Satz fehlt Kontext oder? Wie ist er zu verstehen?