Die große Grünflation
Wie Covid-Maßnahmen und die Energiewende das komplexe System der globalen Lieferketten gestört haben, und die Inflation immer höher treiben.
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Willkommen zur 45. Ausgabe von BlingBling!
Think of going to the port as going to WalMart on Black Friday, but imagine only ONE cashier for thousands of customers. Think about the lines. Except at a port, there are at least THREE lines to get a container in or out. The first line is the ‘in’ gate, where hundreds of trucks daily have to pass through 5–10 available gates. The second line is waiting to pick up your container. The third line is for waiting to get out. For each of these lines the wait time is a minimum of an hour, and I’ve waited up to 8 hours in the first line just to get into the port.
Vergangenen Sonntag tauchte auf der Plattform Medium ein Bericht eines amerikanischen LKW-Fahrers auf, der mehr über die aktuelle Inflation erklärt als die meisten Zentralbanker und Ökonomen. Er schildert die absurde Situation, die derzeit beim Entladen von Schiffen an amerikanischen Container-Häfen herrscht. Wartezeiten von acht Stunden und mehr sind keine Seltenheit. Die meisten der Fahrer sind nicht gewerkschaftlich organisiert, weswegen der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet ist, eine Toilette während der Wartezeit zur Verfügung zu stellen.


Mehrere Phänomene tragen derzeit dazu bei, dass die Welt diesen Winter sehr eigenartige Dinge sehen wird. Und abgesehen von ein paar Spekulanten, die frühzeitig auf das richtige Pferd setzen, wird es für die meisten Menschen unangenehm werden.

Sogar Twitter-Chef Jack Dorsey redet von Hyperinflation. Zentralbanker und Politiker behaupten weiterhin, dass die Preisanstiege nur vorübergehend, „transitory“, sein werden. Aber wir alle spüren Preisanstiege im Alltag längst. Was also stimmt?
BlingBling meint: Das sich abzeichnende Phänomen entzieht sich den herkömmlichen Beschreibungen. Was wir in den kommenden Monaten sehen werden, sind teils verrückte Preisanstiege (und -crashs) nicht nur von Rohstoffen, sondern von Gütern des alltäglichen Gebrauchs. Die Welt erlebt, was geschieht, wenn komplexe Systeme gestört werden.
I. Flaschenhälse und komplexe Systeme
Die globalen Lieferketten, die sich seit den 1990er Jahren immer dichter um den Globus gespannt haben, sind ein komplexes System: Rohstoffe aus Afrika und Russland, Verarbeitung in Guangzhou, Zulieferer aus Baden-Würtemberg, verschifft in Containern von Hangzhou nach Los Angeles, alles just in time, so schnell und billig wie möglich. Überoptimierung, um den letzten Rest Effizienz herauszupressen. Alles läuft immer schneller und billiger - so lange nichts Unvorhergesehenes passiert.
Ein Kennzeichen von komplexen Systemen ist ihre Nicht-Linearität, die Störanfälligkeit mit kaum vorhersehbaren Konsequenzen.
Nichtlinearität: Kleine Störungen des Systems oder minimale Unterschiede in den Anfangsbedingungen führen oft zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen (Schmetterlingseffekt, Phasenübergänge). Die Wirkzusammenhänge der Systemkomponenten sind im Allgemeinen nichtlinear.
Ist ein komplexes System einmal gestört, ist es nicht mehr so einfach, es wieder in Ordnung zu bringen.
"Beim deterministischen Chaos wird das Verhalten von Systemen unvorhersagbar, obwohl es durch bekannte Bewegungsabläufe vorherbestimmt (= determiniert) ist. Denn kleine Anfangsstörungen verstärken sich hier mit Laufe der Zeit."
Die sogenannte „Just-in-Time“-Produktion, der letzte Schrei der vergangenen Jahre, der blitzschnelle Lieferung wie von Amazon Prime ermöglichte, kommt plötzlich an ihr Limit.
Da aber viele Fabriken nicht auf bestimmte Rohstoffe warten können, explodieren die Kurse. In den vergangenen Wochen stieg zum Beispiel der Preis für Magnesium sprunghaft an, das wiederum Auswirkungen auf die Auto-Industrie hat. Die irren Kursschwankungen gibt es derzeit bei zahlreichen Rohstoffen. Hier zum Beispiel der Chart von Magnesium:


Wie blöde steigt auch Ammoniak, was man für die Düngerproduktion braucht, was wiederum in Kürze die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben wird.


Genau dieses überoptimierte System, dass unser Wirtschaftssystem in den vergangenen Jahren so geprägt hat, offenbart nun seine Schwächen.
For the whole supply chain to function efficiently every point has to be working at an equal capacity. Any point that fails bottlenecks the whole system. Right now, it’s ALL failing spectacularly TOGETHER, but fixing one piece won’t do anything. It ALL needs to be fixed, and at the same time.
I’m A Twenty Year Truck Driver, I Will Tell You Why America’s “Shipping Crisis” Will Not End
II. Arbeitskräftemangel und Massenentlassungen
All das hat nicht nur mit dem Nachfrageanstieg zu tun. Richtige Inflation entsteht aber erst, wenn es zu einer Lohn-/Preisspirale kommt, sprich auch die Löhne steigen. Genau das dürfte in den kommenden Monaten in großen Stil passieren. Aufgrund der Reisebeschränkungen haben zum Beispiel in Europa viele Arbeiter im Niedriglohnsektor (Gastronomie, Transport) ihren Job verloren und sind in ihre Heimatländer zurück. Die fehlen jetzt. Viele Zeitungen haben das Problem in Großbritannien gern auf den Brexit geschoben, weil es in das Narrativ „EU gut, Brexit böse“ passte. Tatsache aber ist, dass es den Arbeitskräftemangel überall gibt. Aus dem Bericht des amerikanischen Lastwagen-Fahrers:
A large portion of international containers must be hand unloaded because the products are not on pallets. It takes a working crew a considerable amount of time to do this, and warehouse work is usually low wage. A lot of it is actually only temp staffed. Many full time warehouse workers got laid off when the pandemic started, and didn’t come back. So warehouses, like everybody else, are chronically short staffed.
I’m A Twenty Year Truck Driver, I Will Tell You Why America’s “Shipping Crisis” Will Not End
Und noch etwas kommt hinzu: Massenentlassungen, weil Unternehmen in manchen Sektoren in den USA ihre Mitarbeiter vor die Wahl stellen: impfen lassen oder gehen.


III. Grünflation
Die dritte Ursache hat tiefere Ursachen und wird in der Paid-Version etwas ausführlicher behandelt: Sie hat mit der Energie-Wende zu tun. Seit Präsident Biden an der Macht ist, hat sich die westliche Welt der „grünen Wende“ verschrieben. Energie soll grüner werden. Jetzt aber tritt folgendes Problem: Öl- und Gas-Unternehmen schrecken deswegen vor Investitionen zurück, da sie wissen, ihre Industrie wird ohnehin in den kommenden Jahren von der Politik kaputtversteuert. Fehlende Investitionen machen die Produktion teurer. In der Folge werden fossile Energie-Träger teuer. Und da Energie der größte Faktor zur Produktion von ALLEM ist, steigen die Preise.


Gleichzeitig reichen die alternativen Energiequellen noch nicht aus, um den Job von Kohle, Öl und Gas zu übernehmen. Noch dazu hat man die Fracking-Industrie in den USA gekillt. Das Angebot von Öl und Gas geht also zurück, während die Nachfrage nach Energie steigt, gleichzeitig ist zu wenig grüne Energie vorhanden ist, um die Lücke auszugleichen.
Linke Ökonomen wie Adam Tooze meinen, es gebe trotzdem kein zurück:


Wahrscheinlich ist das tatsächlich so. Aber was soll in einem komplexen System passieren, in dem man seit über zehn Jahren riesige Mengen von Geld angestaut hat, in dem Glauben, sie würden die Realwirtschaft schon nicht erreichen, und welches nun massiv gestört wird?
Was also tun? Darüber, und wie man vielleicht von dieser Entwicklung profitieren kann, geht es im zweiten Teil von “Die große Grünflation”.
Einen schönen Winter, zieht Euch warm an!
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