Der Ukraine-Krieg - was ich lese
Wie kann man sich in Kriegszeiten ausgewogen informieren? Eine Liste von fünf brauchbaren, alternativen Quellen
Liebe Abonnenten,
der Vietnam-Krieg war für die USA nicht nur deswegen ein Debakel, weil von 1963 bis 1976 rund 60000 US-Soldaten ums Leben kamen (und eine Million Vietnamesen…). Er bereitete der CIA und dem Pentagon vor allem auch deswegen Kopfzerbrechen, weil die Heimatfront nicht stabil war. 1969 zum Beispiel berichtete der amerikanische Journalist Seymour Hersh über das Massaker von My Lai, bei dem US-Soldaten 500 Zivilisten umbrachten, sowie Frauen vergewaltigten. Hersh erhielt dafür den Pulitzer-Preis. Proteste der amerikanischen Zivilgesellschaft setzten die US-Regierung schließlich unter Druck, den Krieg zu beenden.
Was die CIA und das Pentagon daraus gelernt hatten, zeigten sich erstmals bei der Operation „Desert Storm“, dem Irak-Krieg 1991. Journalisten waren von nun am „embedded“. Sie bekamen zu sehen, was sie sehen sollten, oder durften „Präzisionsbomben“ von Bildschirmen aus verfolgen. Abscheuliche Kriegsverbrechen des Gegners werden dagegen von den militärischen Entscheidern mal geschickt mal plump an die heimische Presse weitergegeben. (Ein befreundeter Journalist, der die letzten vier Monate in Israel für einen großen Fernsehsender war, erzählte mir kürzlich, wie er dort “recherchierte”: In vier Monaten durfte er dreimal mit den Israeli Defense Forces (IDF) in den Gaza-Streifen. Man saß dort mit drei anderen Journalisten im Bauch eines gepanzerten Fahrzeuges und sah die Außenwelt nur über Computer-Bildschirme. Ein IDF-Soldat kommentierte das Gesehene fortwährend. An bestimmten Stellen durfte er dann aussteigen und filmen - aber unter Kontrolle des Militärs.)
Man kann gut sehen, wie das System im Ukraine-Krieg wunderbar funktioniert. Hier „böser Aggressor“, dort „guter Verteidiger“ - die Komplexitätsreduktion kommt dem so mäßig interessierten Leser eh entgegen. Die seit Corona intensivierten Propaganda-Anstrengungen seitens des militärisch-industriellen Komplexes aber sind auch darauf zurückzuführen, dass es eine Vielfalt von alternativen Quellen gibt. Sie werden bloß nicht von der Masse gelesen. Fünf der Quellen möchte ich hier vorstellen.
Ein Wort der Warnung vorab: Die zitierten Quellen geben nicht meine Meinung wieder. Sie haben eigene, andere Schwerpunkte als die deutschen Leitmedien. Ich lese diese auch nicht ausschließlich, sondern neben Mainstream-Medien wie Süddeutscher Zeitung oder Financial Times (zwei Zeitungen, die ich täglich lese), sowie den üblichen Radio- und Online-Quellen. Ich glaube aber, dass jeder Mensch in der Lage ist, sich aus dem Mosaik der Nachrichten, ein eigenes Bild zu schaffen.
Nikita Gerassimow:
Den Anfang macht ein Twitter-Account. Nikita Gerassimow nennt sich Konfliktbeobachter. Einmal die Woche veröffentlicht er auf X einen Thread mit militärischen Entwicklungen an der Front. Diese mögen manchmal etwas technisch sein, geben aber einen guten Einblick, wie der Krieg dort tatsächlich stattfindet: ungefiltert und brutal, in Schützengräben mit Dronennetzen, von Artillerie verwüsteten Landstriche:
Hintergrund: Gerassimow ist Anfang 30 und kam im Alter von 6 nach Deutschland. 2020 arbeitete er kurz für das russische Nachrichtenmagazin Sputnik, weshalb ihm manche vorwerfen, ein „russischer Spion“ zu sein. Er hat sich von der Mitarbeit bei Sputnik distanziert.
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