Der Letzte macht das Licht aus
Das Magazin Bloomberg widmet sich der Tether-Saga: Über Inspector Gadget auf den Bahamas, chinesische Anleihen und wie die Bitcoin-Party enden könnte
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Willkommen zur 41. Ausgabe von BlingBling!
Immer dann, wenn alles in Ordnung scheint, Bitcoin sich in Richtung neues Allzeithoch bewegt, das Mining umweltfreundlicher wird, und die Pandora-Papers nicht einmal das Wort Bitcoin erwähnen, kommt ein neuer Tether-Bericht um die Ecke, der einem in die Crypto-Suppe spuckt.
Bloomberg hat dem 69-Milliarden-Dollar-Monster jetzt eine Titelgeschichte gewidmet. Der 34 Seiten lange Artikel ist hinter einer Paywall, BlingBling aber hat die wesentlichen Neuigkeiten hier zusammengefasst. Wer nicht genau weiß, um was es bei den Betrugs-Vorwürfen gegen Tether geht, dem seien die alten BlingBling-Ausgaben empfohlen:
Die Bloomberg-Reportage fördert ein paar bizarre Details ans Tageslicht und geht der derzeit wichtigsten Frage nach:
Stecken die Tether-Milliarden in Anleihen chinesische Immobilienkonzerne, von denen der zweitgrößte, Evergrande, gerade implodiert?
Der Report räumt auch mit einigen Gerüchten auf, und bricht in mancher Hinsicht sogar eine Lanze für Tether. Er bestätigt allerdings eben auch zahlreiche Vermutungen.
Zurück ins Jahr 2017: Damals sind knapp 50 Millionen Tether-Dollar (USDT) im Umlauf (heute sind es 70 Milliarden). Tether verliert den Zugang zum Bankensystem, nachdem Wells Fargo den Banken in Taiwan, mit denen Tether bisher zusammengearbeitet hat, die Konten schließt. Tether sucht jetzt händeringend nach einer neuen Bank, die die Geschäfte übernehmen will. (Zur Erklärung: Wer USDT erwirbt, zahlt US-Dollar an Tether, und irgendwo müssen diese Dollars ja verwahrt werden. Ohne eine Fiat-Bank geht es also nicht).
Tether-CFO Devasini findet eine kleine Bank namens Noble in Puerto Rico. Deren Chef, John Betts, versichert heute, dass die Tether-Reserven damals gedeckt waren:
“During the time Tether banked with Noble, we held in excess of 98% of their cash reserves and received and validated monthly statements from their other account.”
Dann aber werden die Dinge eigenartig. 2017 boomt die Crypto-Branche, Bitcoin steigt von 1000$ Anfang des Jahres auf 18000 Dollar im Dezember und die Marktkapitalisierung von Tether von 50 Millionen auf zwei Milliarden Dollar. Erste Gerüchte werden laut, wonach die Reserven nicht gedeckt seien. Betts will nun von Devasini, dass er eine Wirtschaftsprüfung anheuert, um den Gerüchten entgegenzutreten. Devasini weigert sich. Betts tritt ab. Bis heute hat Tether sich nie einer Prüfung unterzogen. Die veröffentlichten “Attestations” ersetzen keinen ordentlichen Audit. Heute sagt Betts über Tether:
“It’s not a stablecoin, it’s a high-risk offshore hedge fund,” said John Betts, who ran a bank in Puerto Rico Tether used. “Even their own banking partners don’t know the extent of their holdings, or if they exist.”
Noch etwas passiert zu dieser Zeit: Die Firma Crypto Capital Corps in Panama wird gehackt, 850 Millionen US-Dollar verschwinden. Es ist Geld, das Kunden bei der Börse Bitfinex deponiert haben. Devasini und Co haben jahrelang bestritten, dass Tether und Bitfinex zusammengehören, die geleakten Panama-Papers aber weisen genau das nach. Devasini nimmt nun 850 Millionen US-Dollar von Tether, um das Loch bei Bitfinex zu stopfen. Er sendet auch einen Hilferuf an Szene-Größen: Ein Bankrott von Bitfinex könnte das gesamte System implodieren lassen. Es klappt. Zusammen stecken Händler eine Milliarde US-Dollar in Bitfinex, um die Börse und Tether zu retten. Die Öffentlichkeit erfährt davon allerdings erst im April 2019, als die New Yorker Staatsanwalt Tether zwingt, die Dokumente zu übergeben.
All das war aber bisher schon bekannt. Die Bloomberg-Geschichte liefert wirklich Neues, als der Reporter mit dem CEO der aktuellen Tether-Bank spricht. Seit November 2018 hat Deltec die Rolle von Noble übernommen. Deltec hat ihren Sitz auf den Bahamas, und deren Chef Jean Chalopin ist der Erfinder von Inspector Gadget. Auch sonst klingt alles wie aus einem Agentenfilm:
„I met the bank’s chairman, Jean Chalopin, in Deltec’s office, on the top floor of a six-story building ringed with palm trees in a nice part of Nassau. In a past life, Chalopin co-created the cartoon Inspector Gadget, and a painting of the 1980s trenchcoat-wearing cyborg policeman hung on his office door. Magazine covers featuring Chalopin’s wife, a former model, and his daughter, a singer, were displayed on a shelf. Now 71, Chalopin has a mop of red hair and wears rimless round glasses. As we sat down, he pulled a book about financial fraud, Misplaced Trust, off the shelf. “People do funny things for money,” he said, cryptically. He made himself a cup of tea and told me he’d come to the Bahamas in 1987 after selling his first animation studio, DIC Entertainment. The sale had made him rich—he bought a castle outside Paris and a pink colonial in the Bahamas, which later served as the villain’s home in the 2006 James Bond film Casino Royale.“
Devasini und Chalopin freunden sich an, spätestens als sich herausstellt, dass Chalopins Mutter aus dem selben italienischen Dorf stammt wie Devasini. Chalopin bricht auch heute eine Lanze für Devasini und Tether:
“There’s no agenda or plot,” he said. “They are not Enron or Madoff. When there’s a problem, they fix it honorably.”
Der Deltec-Chef bestätigt, von Tether Geld erhalten zu haben.
“Frankly, the biggest thing was at the time ‘the money doesn’t exist,’” he said. “We knew the money exists! It was sitting here.”
Die Geschichte könnte hier ein gutes Ende nehmen. Aber Chalopin kann natürlich auch nur über das Geld sprechen, das er bekommen hat. Und das sind 15 Milliarden - weniger als ein Viertel der im Umlauf befindlichen USDT. Wo also sind die restlichen 54 Milliarden?
Only a quarter of it—$15 billion or so—is still with Deltec. “I cannot speak about what I cannot know,” he said. “I can only control what’s with us.

Ein Teil liegt beim Celsius Network, einer Art Crypto-Bank: Deren Chef bestätigt, sich Geld von Tether geliehen zu haben. Für eine Milliarde USD zahlt er zwischen fünf und sechs Prozent Zinsen. Als Sicherheit hinterlegt er Bitcoin.
Laut des Berichts liegt ein anderer Teil bei chinesischen Unternehmen. Hoegner, der Anwalt des Unternehmens, hat bisher immer verneint, Anleihen des chinesischen Immobilienkonzerns Evergrande zu halten, nichts aber über andere chinesische Unternehmen gesagt. Wie hoch die Summe ist, bleibt unbekannt.

Ausgabe 38: Die größte Bubble Ever
Und jetzt?
Im Best-Case-Szenario waren alle USDT einmal eins zu eins mit Dollar gedeckt. Das Problem aber ist heute, dass die Reserven hoch riskant angelegt wurden. Die Zahlungsschwierigkeiten von Evergrande breiten sich gerade auf andere Unternehmen aus. Im Fall von Celsius sind Probleme noch wahrscheinlicher: Was passiert mit den als Sicherheit hinterlegten Bitcoin, wenn der Kurs kollabiert?
Viel wahrscheinlicher aber ist, dass Tether eben nicht hundertprozentig gedeckt ist, sondern nur ein Teil. Tether selbst scheint das indirekt zugegeben zu haben. Früher stand auf der Website:
“Every Tether is always backed 1- to-1, by traditional currency held in our reserves.”
Seit 2019 steht dort:
“Every Tether is always 100% backed by our reserves, which include traditional currency and cash equivalents and, from time to time, may include other assets and receivables from loans made by Tether to third parties, which may include affiliated entities.”
Derzeit beraten die Behörden in den USA darüber, ob Tether nicht wie eine Bank reguliert werden müsse. Sollte es dazu kommen, müssten Devasini und Co endlich die Hosen runterlassen.
Bisher aber scheint das zumindest die derzeit größten Kunden von Tether, die Börse FTX und dessen 27-jährige Chef-Trader Sam Bankman-Fried, wenig zu kümmern. Gestern wurden weitere 200 Millionen Dollar locker gemacht.


Auch Adam Back von BlockStream verteidigt Tether weiterhin.


So lange alle sich von den Vorwürfen nicht aus der Ruhe bringen lassen, und niemand Tether dazu zwingt, die Bücher offen zu legen, ist kein Ende in Sicht. Die Party geht weiter. Der letzte macht bitte das Licht aus.
Ein schönes Wochenende!
PS:

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Und ebenso freue ich mich darüber, wenn Du BlingBling an Freunde und bekannte weiterempfiehlst!
Der Letzte macht das Licht aus
Thanks for your newsletter and critical thinking again.
However your claim that Tether minting pumps BTC is a fallacy, as correlation is not causation.
Causation: crypto growing (800-1000% p.a. per estimates), this causes two effects:
1) more utilization of stable coins (USDT, USDC, UST etc).
2) more buying of Bitcoin and crypto, ie rising prices.
Lastly, I’m not a fan of centralized stable coins, but currently use them for practical purposes. The future lies in decentralized stable coins such as UST.
Cheers